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  • 13. Oktober 2024, 13:43:51

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Autor Thema: Chemie auf der Straße - Beförderung gefährlicher Güter  (Gelesen 1031 mal)

Jean(D)

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Moin zusammen,

es gibt bereits Beiträge, die sich damit beschäftigen, wie wir die Chemie sicher über die Straße bekommen. Da ich selbst in exakt diesem Bereich tätig bin, möchte ich es gerne nochmal zusammenfassen.

1. Was ist Gefahrgut?

Gefahrgut und Gefahrstoffe sind nicht identisch: Bei den Gefahrstoffen sind wir im Umgangsrecht. Sie sind mit den GHS-Symbolen gekennzeichnet und werden verbraucht, gelagert, genutzt etc. Gefahrgut betrifft das Beförderungsrecht, also wenn wir die Chemie auf die Straße bringen wollen. Viele Kriterien für Gefahrstoffe (z.B. Umweltgefährdend nach GHS) sind mit den Gefahrgutrechtlichen vergleichbar, aber es gibt eben Unterschiede.

[GHS01][GHS02][GHS03][GHS04][GHS05][GHS06][GHS07][GHS08][GHS09] = Gefahrstoffrecht
[ADR1][ADR1.4S][ADR2.1][ADR2.2][ADR2.3][ADR3][ADR4.1][ADR4.2][ADR4.3][ADR5.1][ADR5.2][ADR6.1][ADR6.2][ADR7-1][ADR7-2][ADR8][ADR9A][ADR9][ADRLQ] = Gefahrgutrecht (hier nur eine Auswahl; es gibt noch weitere)

Für die Straße heißen die Rechtsvorschriften (Situation in Deutschland) wie folgt:
GGVSEB - Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn, Binnenschiff. Hier sind Zuständigkeiten der einzelnen Behörden, aber auch zusätzliche Pflichten der Beteiligten geregelt. "Beteiligt" = Absender, Verpacker, Befüller,...; aber auch die Fahrwegsverlagerung für best. Güter in großen Mengen.
GGVSee - Das Gegenstück zur GGVSEB zum Seeverkehr.
GGAV - Gefahrgutausnahmeverordnung. Insbesondere im Abfallbereich können auf nationaler Ebene Ausnahmen in Anspruch genommen werden, die hier geregelt sind.
GGBefG - Das Rahmengesetzt zur Beförderung gefährlicher Güter. Hier finden wir u.a. Definitionen, Zuständigkeiten und auch Ordnungswidrigkeiten.
Es gibt noch weitere Vorschriften; aber dies seien die wichtigsten fürs erste.

International haben wir das ADR (Straße), das RID (Schiene; mit ADR teilidentisch), den IMDG-Code (Seeverkehr), das ADN (Binnenschiff) und für die Luftfracht die ICAO-TI (bzw. IATA-DGR). Alle Rechtsvorschriften (ausg. ICAO-TI/ IATA-DGR: Jährlich) werden alle zwei Jahre aktualisiert. Heute (2024) ist das ADR 2023 gültig.

Die Schweiz hat das ADR als PDF zum Download veröffentlicht (https://www.astra.admin.ch/astra/de/home/fachleute/fahrzeuge/gefaehrliche-gueter/recht-international.html). Nachfolgende Quellenangaben (wie z.B. "Kap. 3.5 ADR" oder "1.1.3.6 ADR") sind dort zu finden und ich empfehle jede Fundstelle, die ich hier zitiere, nachzuschlagen. 

Vorliegende Ausführungen sollen nur einen groben Überblick geben, worauf - allgemein - ein Blick geworfen werden sollte. Es ist weder eine Rechtsberatung, noch ersetzt dies eine grundständige Schulung! Es gibt leider eine Menge Sondervorschriften und Beförderungsarten, die das gesamte ADR (inkl. nationaler Vorschriften) das Vorschriftenwerk auf über 2000 Seiten anschwellen ließen - und das nicht ohne Grund. Hier empfehle ich immer den Austausch mit dem Fachexperten, wenn es um den konkreten Einzelfall geht!

2. Wann ist es ein Gefahrstoff und wann ist es ein Gefahrgut?

Das letzte Wort hat (bei Chemikalien) das Sicherheitsdatenblatt. Unter Abschnitt 2 sehen wir, ob es sich um ein Gefahrstoff handelt. In Abschnitt 14 sehen wir, ob es sich um ein Gefahrgut handelt (dann steht da entweder eine UN-Nummer oder ein Passus wie "Unterliegt nicht den Transportvorschriften"). Steht dort eine UN-Nummer, sind u.a. auch nachfolgende Schritte zu beachten. Liegt kein SDB vor, wirds haarig und es muss klassifiziert (=Feststellung, ob es ein Gefahrgut ist und wenn ja, was für eines) werden. Es können aber auch Maschinen und Gegenstände sowie Li-Ionenakkus unter das Gefahrgutrecht fallen, wozu es regelmäßig kein SDB gibt. Vorliegend konzentrieren wir uns erstmal auf eine Chemikalie.

3. Es ist ein Gefahrgut. Was nun?
Nun gilt es zu klären, wer wir sind und was wir tun wollen. Grundsätzlich gilt: Die Beförderung gefährlicher Güter ("gefährlich": § 2 GGBefG) ist verboten - außer, es wird exakt so gemacht, wie es die internationalen (z.B. ADR) und nationalen Vorschriften (GGBefG, GGVSEB,...) vorschreiben.

a) Ich bin eine Privatperson und möchte Chemikalien von A nach B mit meinem Privat-PKW fahren.

Hier greift die Freistellung gem. 1.1.3.1 a) ADR. Die Güter müssen einzelhandelsgerecht abgepackt sein und für den persönlichen oder häuslichen Gebraucht oder für Freizeit/ Sport bestimmt sein. Verpackt sein muss das auch alles so, dass unter normalen Beförderungsbedingungen ein Freiwerden des Inhalts verhindert wird. Bei entzündbaren Flüssigkeiten darf die Gesamtmenge 60 L je Behälter und 240 L je Beförderungseinheit nicht überschreiten. Das ist ein Auszug aus dem ADR (international!); die nationalen Vorschriften können entsprechend restriktiver ausfallen und sind daher zusätzlich zu prüfen!

b) Ich bin eine Privatperson und möchte Chemikalien von A nach B über einen Paketdienstleister befördern lassen.

Hier können wir die o.g. Freistellung leider nicht anwenden. Wir sind zwar selbst privat, der Transportdienstleister aber leider nicht. Hier sind die Vorschriften des ADR anzuwenden; hinzu kommen noch die AGBs der einzelnen Beförderungsdienstleister.

c) Ich bin geschäftlich verantwortlich für den Versand gefährlicher Güter

Sie unterliegen damit grds. erstmal der Unterweisungsverpflichtung aus Kap. 1.3 ADR: Kein Versand gefährlicher Güter ohne die vorherige entsprechende Unterweisung. In dieser werden Ihnen alle Grundlagen und die sichere Anwendung gefahrgutrechtlicher Vorschriften vermittelt. Das kann dabei entweder ein externer Dienstleister, der eigene Gefahrgutbeauftragter oder eine selbst gefahrgutrechtlich unterwiesene Person (wie der für sie verantwortliche Betriebsleiter) sein.

4. Ein Blick auf Freistellungen

Das ADR kennt eine Reihe von Freistellungen. Dabei ist folgendes sehr wichtig zu verstehen:
Es bleibt Gefahrgut! Auch wenn etwas freigestellt wird, ist es immer noch ein Gefahrgut. Die Freistellungen sind unterschiedlich ausgelegt und formuliert, je nach dem, welche man anwendet. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet Freistellung nicht "es ist kein gefahrgut", sondern "wenn Du das genau so verpackst/ kennzeichnest etc. wie es in dieser Freistellung steht, unterliegst du keinen zusätzlichen Vorschriftend es ADR mehr". In jedem Fall ist eine entsprechende Unterweisung gem. Kap. 1.3 ADR voraussetzung (hint: Diese Ausführungen sind keine Unterweisung!)

Eine Auswahl der Freistellungen:
EQ - Excepted Quantity: Freigestellte Menge. Geregelt in Kap. 3.5 ADR. Das betrifft kleinstmengen, i.d.R. bis zu 30 mL; je nach Gefahrgut und Angabe in Stoffliste!
LQ - Limited Quantity: Begrenzte Menge. Geregelt in Kap. 3.4 ADR. Das betrifft kleinere Mengen (i.d.R. bis zu 5 L; je nach Gefahrgut und Angabe in Stoffliste!)
1.1.3.6 ADR - die sogenannte 1000 Punkte Regel. Hier unterliegen wir schon einigen Regeln, müssen aber das Fahrzeug nicht mit einer Warntafel kennzeichnen und der Fahrer benötigt auch keine Schulungsbescheinigung gem. Teil 8 ADR (ugs. Gefahrgutführerschein).

Das ist eine Auswahl der gängigeren Freistellungen. Sondervorschriften (Spalte 9a für Versandstücke, also nicht IBC, Tanks,...) können aber auch noch freistellen. Sie haben in jedem Fall das letzte Wort und sind im konkreten EInzelfall immer zu prüfen.

Die Freistellungen können angewendet werden. Viele Unternehmen aber wenden die vollen Gefahrgutvorschriften an, da dies das höchste Sicherheitsniveau darstellt.

5. Praxisbeispiel

Wir gehen als Anschauungsbeispiel verschiedene Konstellationen durch, indem wir Methanol in verschiedenen Mengen befördern möchten (Konstellation 3b) und 3c) oben). Das Sicherheitsdatenblatt sagt uns in Abschnitt 14, dass es sich um die UN1230 handelt. Grundlage für nachfolgende Aussagen ist der Eintrag in der Stoffliste des ADR für UN1230 (siehe Bild im Anhang). Vorliegend gehe ich die Freistellung von ganz wenig Gefahrgut (EQ) mengenmäßig aufwärts hoch. Sondervorschriften für die Verpackung (Spalte 9a) sind hier nicht zu beachten (leeres Feld).

a) 10 mL Methanol
In Spalte 7b finden wir den Eintrag "E2". Gehen wir in Kap. 3.5, in welcher die E-Codes definiert werden, steht dort für E2: Höchste Nettomenge je Innenverpackung (Feststoffe: g, Flüssigkleiten/ Gase: mL): 30; höchstmenge je Außenverpackung (Feststoffe: g, Flüssigkleiten/ Gase: mL): 500. Verpackt werden muss das in eine Verpackung,

Wir dürfen also das 10 mL-Fläschchen in eine Verpackung geben, die in eine Zwischenverpackung eingesetzt wird, welche mit ausreichend Polster- und saugfhähigem Material ausgestattet ist, dass alles sicher befördert wird und im Schadensfall vollständig aufgenommen wird. Der Veschluss dieser Fläschchen muss gesichert werden, dass er sich nicht z.B. durch Vibration o.ä. wieder öffnen kann. Das ganze wird dann in eine starre (= keine Einkaufstüte) Außenverpackung gegeben. Diese Außenverpackung kennzeichnen wir mit dem Kennzeichen für die Freigestellte Menge (3.5.4.2 ADR - Nachschauen!). Auf das Kennzeichen schreiben wir die Nummer des ersten (oder einzigen) Gefahrzettels rein. Diese Nummer entnehmen wir der Stoffliste (Bild Anhang) aus Spalte 5. Dort steht: "3+6.1". Wir schreiben also die 3 rein. Wenn an anderer Stelle des Versandstückes nicht bereits Absender oder Empfänger angegeben ist, kommen diese Daten noch zusätzlich auf das Kennzeichen.

Ich darf auch zwei solcher Fläschchen in eine Verpackung geben, da die höchste Nettomenge für die Außenverpackug von 500 mL dadurch noch nicht erreicht ist.
Ausrichungspfeile sind bei Mengen unter 120 mL nicht erforderlich.

b) 1 L Methanol

Aufgrund der mengenmäßigen Überschreitung gem. dem E2 Code ist für diese Menge die Freistellung nach Kap. 3.5 (EQ) nicht möglich. Der Blick in die Stoffliste unter Spalte 7a offenbart uns den Eintrag "1 L". Die zu versendende Menge passt also bestens für die Anwendung der Regelungen der begrenzten Menge (LQ). Diese Art der Beförderung wird auch von vielen Baumärkten und Supermärkten angewandt, da dem Kosten/Nutzenverhältnis (Vollwertiger Gefahrguttransport mit allem Aufwand ggü. dem Schadenspotenzial der Chemikalie) im vom Vorschriftengeber ausreichenden Maße Rechnung getragen wird.

Der Stoff wird auch hier wieder als Innenverpackung (= i.d.R. die Flasche, die wir in der Hand halten) in eine Außenverpackung (z.B. ein Karton) gepackt. Selbstredend auch hier so verpackt, dass unter normalen Beförderungsbedingungen ein Austritt des Gutes nicht zu befürchten ist.

Dann wird das Kennzeichen nach 3.4.7.1 ADR (Nachschlagen! [ADRLQ] ) aufgeklebt. Es gibt noch Vorschriften für ätzende Stoffe und Mengengrenzen; diese sind für dieses Beispiel aber irrelevant.
Dazu kommen noch Ausrichtungspfeile (5.2.1.10.1), auf gegenüberliegenden Seiten [natürlich nicht oben und unten!], da wir eine Flüssigkeit befördern!

So verpackte und gekennzeichnete Versandstücke (EQ und LQ) werden i.d.R. auch vom gelben Transportdienstleister mitgenommen (wie erwähnt - AGBs prüfen, Rücksprache halten, um auch sicher zu sein). In beiden Fällen weisen wir darauf hin, dass ein Gefahrgut als begrenzte (oder freigestellte) Menge in einer Bruttomasse (= Versandstück: Karton auf Waage stellen) von X kg befördert wird.

c) 10 L Methanol

Hier sind nun weder LQ noch EQ anwendbar, da die Mengengrenzen je Innenverpackung überschritten sind. Mengenmäßig können wir aber die Freistellung nach 1.1.3.6, der sog. "1000-Punkte-Regel", anwenden. Dazu benötigen wir die Beförderungskategorie (BefK), die in Spalte 15 als Zahlenwert angegeben ist (hier 2; das "(D/E)" ist ein Tunnelbeschränkungscode, der für den Fahrer relevant ist). Jetzt wird es kurz kompliziert: Die BefK 2 sagt aus, dass bis zu 333 kg (oder L) in einer Beförderungseinheit befördert werden darf. Diese 333 kg (oder L) entsprechen dann den 1000 Punkten.

 BefK 0 - Keine Beförderung nach 1.1.3.6 möglich!
 BefK 1 - Multiplizieren mit 50, um auf Punkte zu kommen
 BefK 2 - Multiplizieren mit 3, um auf die Punkte zu kommen
 BefK 3 - Multiplizieren mit 1, um auf Punkte zu kommen
 BefK 4 - In jeder Menge als 1.1.3.6 zulässig

Stay with me. Ich habe 10 L eines Stoffes der BefK 2. Diesen Wert (10 L) mutlipliziere ich mit 3 und erhalte 30 Punkte. Ich darf bis zu 1000 Punkte auf einem Fahrzeug haben. Bei der BefK 2 sind das also 333 L, womit ich dann 1000 Punkte (ok - 999 Punkte; aber wegen Rundung von Nachkommastellen kommen; ihr versteht das Problem mit dem durch drei Teilen).

Ich habe nun also 30 Punkte und bin damit unter den 1000 Punkten. Damit darf ich 1.1.3.6 anwenden. Was heißt das:

- Kennzeichnung des Paketes mit den Gefahrzettelmustern aus Spalte 5 (Hier: "3+6.1", also Flamme und Totenkopf [ADR3] [ADR6.1][ >:-( Nicht verwechseln mit 2.1 und 2.3 [ADR2.1] und [ADR2.3]!!])
- Beachtung der Verpackungsanweisung P001 (goto 4.1.4.1 ADR; dort sind die Verpackungsanweisungen geregelt, die u.a. die Höchstmenge und Material für die Innen- und Außenverpackung regeln sowie für Einzelverpackungen und ggf. Sondervorschriften ["PP"] fürs verpacken). Mit einer Innenverpackung von 10 L in einem anliegenden Karton erfüllen wir diese Verpackungsanweisung, wenn diese 10 L in einer Glasflasche sind (Glas bis zu 10 L) oder, bei Kunststoff, bis zu 30 L (5 Jahre Verwendungsdauer bei Kunststoffgebinden beachten!) oder, bei einer Metallinnenverpackung, bis zu 40 L).
- Aufgrund der Beachtung der Verpackungsanweisung P001 muss eine Bauartgeprüfte Außenverpackung verwendet werden. Bei einem Karton muss dieser also die Spezifikation 4G haben ("Kiste aus Pappe"). Auf dem Karton steht also sowas wie "(UN) 4G/Y145/S/24/D/BAM-0815" (NIEMALS überkleben!). Der Karton darf (laut Verpackungsanweisung) bis zu 400 kg tragen (P001: Methanol hat laut Stoffliste die Verpackungsgruppe II (<- römische Ziffern!, Spalte 4)), der Karton selbst hat aber im zweiten Segment ("Y145")die Mengengrenze von 145 kg. Andere Verpackungsgruppen haben andere Werte, was für vorliegendes Fallbeispiel aber nicht weiter relevant ist).
- Ausrichtungspfeile (5.2.1.10.1), auf gegenüberliegenden Seiten [natürlich nicht oben und unten!], da wir eine Flüssigkeit befördern!
- UN-Nummer muss drauf (Mengen bis 30 L oder kg: mind. 6 mm, ab 30 kg oder L: mind. 12 mm). Es ist denkbar, dass man immer auf der sicheren Seite ist, wenn man > 12 mm immer verwendet.

Viele KEP-Dienstleister nehmen so gekennzeichnete und verpackte Güter auch mit. Es muss aber auch ein ordnungsgemäßes Beförderungspapier (Formvorgaben siehe Kap. 5.4) erstellt werden, in welcher die Punkte ausgewiesen sind. Das sähe dann etwa so aus:
 - Absender/ Empfänger sind anzugeben
 - UN1230 Methanol, 3 (6.1), II, (D/E) [<- Formzwang! Genau so, nicht anders; es gibt zwar zulässige Variationen, aber die sprengen dieses Format!]
 - 10 L Verpackt in einer Pappkiste 4G (Art und Menge des gefährlichen Gutes)
Ggf. noch weitere Angaben, die aus dem allgemeinen Speditionsrecht kommen.

Der Fahrer braucht eine Unterweisung, aber keinen ADR-Führerschein. Er braucht auch keine orangefarbenen Warntafeln zu setzen und ist auch von weiteren Vorschriften, die ich hier nicht weiter aufführe, befreit. Zudem benötigt er einen Feuerlöscher, der mind. 2 kg Fassungsvermögen hat.

Es sind auch die Punkte von verschiedenen Gefahrgütern addierbar. Problem ist nur, wenn die Grenze überschritten wird. KEP-Dienstleister fahren u.U. viele Ladestellen an und es könnte dabei leicht zu einer Überschreitung kommen; je nach System des Beförderers.

Mengen darüber hinaus bearbeite ich hier nicht weiter (außer jemand möchte das wissen). Angaben - wie immer - ohne Gewähr. Ich emfpehle wieder jeden Einzelfall nochmals durch eine entsprechend sachkundige Person prüfen zu lassen.
« Letzte Änderung: 21. August 2024, 10:51:36 von Jean(D) »
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Mephisto

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Re: Chemie auf der Straße - Beförderung gefährlicher Güter
« Antwort #1 am: 20. August 2024, 16:25:40 »
Hi Jean, vielen Dank für deine umfassende Zusammenfassung und die detaillierten Erklärungen. Ich weiß, dass es zudem nicht so leicht ist, solch einen großen Beitrag mit BBCode darin zu erstellen. Damit hast Du Dir den Titel Gefahrgut-Experte verdient. [thumbsup]

Besonders hilfreich finde ich deine Erläuterungen zu den verschiedenen Freistellungen und den entsprechenden Rechtsvorschriften, die dabei eine Rolle spielen. Deine Praxisbeispiele sind sehr anschaulich und erleichtern das Verständnis der komplexen Materie. Das wird mir und sicher auch vielen anderen hier im Forum sehr weiterhelfen.

Die Gefahrstoffsymbole waren ein Steckenpferd von Phil. Er schickte sie mir per E-Mail, ich verkleinerte sie und band sie im Forum ein. Es freut mich, dass Du von ihnen Gebrauch gemacht hast. Deine vier weiteren angefragten Gefahrstoffsymbole werde ich ebenfalls versuchen einzubinden.
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Jean(D)

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Re: Chemie auf der Straße - Beförderung gefährlicher Güter
« Antwort #2 am: 21. August 2024, 10:54:33 »
Vielen Dank!!  ;-D

Falls jemand noch weitere Fragen hat (hinsichtlich Verpackungsauswahl, Kennzeichnung, whatever....) kann entweder direkt hier posten oder per PM schreiben. Wir können auch weitere Praxisbeispiele durchgehen.

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Mephisto

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Re: Chemie auf der Straße - Beförderung gefährlicher Güter
« Antwort #3 am: 02. September 2024, 22:27:25 »
Vielen Dank für Dein Angebot. Ich habe tatsächlich eine exotische Frage, bei der ich mich nicht auskenne: welche Sonderregelungen im ADR gibt es, dass ich eine Lösung die gemäß GHS als Skin Corr. 1A eingestuft ist, als günstige Verpackungsgruppe II klassifizieren kann? Normalerweise ist Skin Corr. 1A = PG I und 1B = PG II. Kaliumhydroxid ist so eine Ausnahme bei der Skin Corr. 1A = PG II erhält. Wie kam es dazu und wie kann ich andere Skin Corr. 1A Mischungen in PG II transportieren?
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Jean(D)

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Re: Chemie auf der Straße - Beförderung gefährlicher Güter
« Antwort #4 am: 05. September 2024, 20:25:29 »
Moin,

kurz gesagt: Eine solche Sonderregelung gibt es m.K. nach im ADR nicht, die man anwenden kann, um aus einer (datentechnisch festgestellten) Verpackungsgruppe I z.B. II zu machen.

Es ist lediglich möglich, im Rahmen der Klassifizierung auf eine Stoffeintragung zu kommen, der eine abweichende Verpackungsgruppe verbindlich vorgeschrieben ist (z.B. bei deinem Beispiel KOH - eigentlich VG I, aber aufgrund der Namenseintragung in Tabelle A zu Kap. 3.2 ADR ist es verbindlich VG II; eine abweichende Klassifizierung als z.B. "UN 3262 ätzender basischer anorganischer Stoff, fest, n.a.g. (Stoffname), I" ist unzulässig).

Aber die Klassifizierungsthematik aus einem Schritt entfernung betrachtet und eingeordnet:

Aus der CLP-Einstufung Skin Corr. 1A [GHS05]folgt, da die Klassifizierungskriterien in diesen Fällen identisch sind (vgl. 3.2.2.6.3 von Anhang 1 der CLP-Verordnung mit 2.2.8.1.5.3 ADR), Klasse 8 VG I [ADR8], aus Skin Corr. 1B folgt Klasse 8 VG II. Wenn keine weiteren Informationen vorliegen, muss leider entsprechend so klassifiziert werden, dass die zutreffendste UN-Nummer mit entsprechender Versandbezeichnung gewählt werden muss.  Bei der Auswahl der korrekten UN-Nummer hat man ebenfalls Regeln zu beachten:

Ist ein Stoff namentlich in Tabelle A aus Kap. 3.2 ADR benannt und passt dein Stoff dazu, so ist die Namenseintragung (z.B. UN1090 Aceton) (mit ihrer verbindlich zugewiesenen Verpackungsgruppe) bindend. Ist dies nicht der Fall, wird geprüft, ob eine Gattungseintragung zutrifft (z.B. UN1133 Klebstoffe). Trifft auch hier keine Bezeichnung zu, so sind auf die spezifischen n.a.g.-Eintragungen zurück zu greifen (n.a.g. = nicht anderweitig genannt; z.B. UN 1987 Alkohole, n.a.g.). Geht auch das nicht, so bleiben zuletzt nur die allgemeinen n.a.g.-Eintragungen (z.B. UN 3262 ätzender basischer anorganischer Stoff, fest, n.a.g. ). Das Verzeichnis in 2.2.8.3 ADR hilft hier bei der korrekten Auswahl der zutreffenden Eintragung bei ätzenden Stoffen (sofern keine Namenseintragung in Tabelle A zu Kap. 3.2 ADR besteht); je nach dem, welche weitere Eigenschaften dein Stoff (sauer, basisch, organisch, anorganisch...) hat. Die Zuordnung zur Verpackungsgruppe ist grds. bindend, wenn die entsprechende Eintragung in Tabelle A keine Auswahl der zutreffenden Verpackungsgruppen erlaubt.

Bei KOH (UN1813) handelt es sich um eine Namenseintragung mit verbindlich vorgegebener Verpackungsgruppe II. Warum das so ist, kann ich nicht sicher beantworten. U.U. gab es damals, als dieser Stoff namentlich eingetragen wurde, andere Kriterien für Klasse 8 oder man sah wirtschaftliche Interessen im Wege stehen (= Stoffe der Verpackungsgruppe I müssen in Verpackungen mit der höchsten Leistungskapazität verpackt werden; zudem kommen auch noch Sicherungspflichten gem. 1.10 hinzu, je nach dem, wieviel in welcher Form befördert wird). Oder es lagen menschliche Erfahrungswerte vor, die zu dieser Verpackungsgruppe führten (2.2.8.1.5.2 ADR).

Eine Vorschrift, die eine abweichende Verpackungsgruppe als im ADR vorgegeben erlaubt, ist mir nicht bekannt... 2.1.2.8 ADR ist eine Vorschrift, die sich auf die Gefahr (Haupt/ Nebengefahr) bezieht, wenn diese nicht mit den Klassifizierungskriterien übereinstimmt, aber trotzdem als dieser Klasse zugehörig ausgewiesen wird. Dann kann man das per behördlicher Genehmigung machen; aber ist ein enormer Aufwand und bezieht sich mehr auf Fälle wie "Stoff X ist laut ADR Klasse 8, hat aber noch 6.1 als Nebengefahr, die nicht für diese Eintragung in Tabelle A ausgewiesen ist und ich will das aber mit dieser Zusatzgefahr gekennzeichnet befördern" und nicht auf Verpackungsgruppen.

« Letzte Änderung: 06. September 2024, 18:18:53 von Jean(D) »
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Mephisto

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Re: Chemie auf der Straße - Beförderung gefährlicher Güter
« Antwort #5 am: 07. September 2024, 23:52:52 »
Ich habe bereits geahnt, dass es keine Ausnahme für beliebige 1A ätzende Gemische gibt. Aber das ist nicht so schlimm. Tausend Dank für Deine versierte Erklärung. Insbesondere danke ich für den Verweise auf Tabelle A aus Kap. 3.2 ADR. Karma +1. Du könntest mit Deinem Wissen problemlos als selbstständiger Consultant arbeiten.
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Jean(D)

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Re: Chemie auf der Straße - Beförderung gefährlicher Güter
« Antwort #6 am: 09. September 2024, 16:36:35 »
Freut mich, wenn ich helfen kann :)

Und ja.. das mit dem selbstständigen Consultant ist tatsächlich langfristige Zielsetzung.
[ADR4.3]