Moin,
kurz gesagt: Eine solche Sonderregelung gibt es m.K. nach im ADR nicht, die man anwenden kann, um aus einer (datentechnisch festgestellten) Verpackungsgruppe I z.B. II zu machen.
Es ist lediglich möglich, im Rahmen der Klassifizierung auf eine Stoffeintragung zu kommen, der eine abweichende Verpackungsgruppe verbindlich vorgeschrieben ist (z.B. bei deinem Beispiel KOH - eigentlich VG I, aber aufgrund der Namenseintragung in Tabelle A zu Kap. 3.2 ADR ist es verbindlich VG II; eine abweichende Klassifizierung als z.B. "UN 3262 ätzender basischer anorganischer Stoff, fest, n.a.g. (Stoffname), I" ist unzulässig).
Aber die Klassifizierungsthematik aus einem Schritt entfernung betrachtet und eingeordnet:
Aus der CLP-Einstufung Skin Corr. 1A
folgt, da die Klassifizierungskriterien in diesen Fällen identisch sind (vgl. 3.2.2.6.3 von Anhang 1 der CLP-Verordnung mit 2.2.8.1.5.3 ADR), Klasse 8 VG I
, aus Skin Corr. 1B folgt Klasse 8 VG II. Wenn keine weiteren Informationen vorliegen, muss leider entsprechend so klassifiziert werden, dass die zutreffendste UN-Nummer mit entsprechender Versandbezeichnung gewählt werden muss. Bei der Auswahl der korrekten UN-Nummer hat man ebenfalls Regeln zu beachten:
Ist ein Stoff namentlich in Tabelle A aus Kap. 3.2 ADR benannt und passt dein Stoff dazu, so ist die Namenseintragung (z.B. UN1090 Aceton) (mit ihrer verbindlich zugewiesenen Verpackungsgruppe) bindend. Ist dies nicht der Fall, wird geprüft, ob eine Gattungseintragung zutrifft (z.B. UN1133 Klebstoffe). Trifft auch hier keine Bezeichnung zu, so sind auf die spezifischen n.a.g.-Eintragungen zurück zu greifen (n.a.g. = nicht anderweitig genannt; z.B. UN 1987 Alkohole, n.a.g.). Geht auch das nicht, so bleiben zuletzt nur die allgemeinen n.a.g.-Eintragungen (z.B. UN 3262 ätzender basischer anorganischer Stoff, fest, n.a.g. ). Das Verzeichnis in 2.2.8.3 ADR hilft hier bei der korrekten Auswahl der zutreffenden Eintragung bei ätzenden Stoffen (sofern keine Namenseintragung in Tabelle A zu Kap. 3.2 ADR besteht); je nach dem, welche weitere Eigenschaften dein Stoff (sauer, basisch, organisch, anorganisch...) hat. Die Zuordnung zur Verpackungsgruppe ist grds. bindend, wenn die entsprechende Eintragung in Tabelle A keine Auswahl der zutreffenden Verpackungsgruppen erlaubt.
Bei KOH (UN1813) handelt es sich um eine Namenseintragung mit verbindlich vorgegebener Verpackungsgruppe II. Warum das so ist, kann ich nicht sicher beantworten. U.U. gab es damals, als dieser Stoff namentlich eingetragen wurde, andere Kriterien für Klasse 8 oder man sah wirtschaftliche Interessen im Wege stehen (= Stoffe der Verpackungsgruppe I müssen in Verpackungen mit der höchsten Leistungskapazität verpackt werden; zudem kommen auch noch Sicherungspflichten gem. 1.10 hinzu, je nach dem, wieviel in welcher Form befördert wird). Oder es lagen menschliche Erfahrungswerte vor, die zu dieser Verpackungsgruppe führten (2.2.8.1.5.2 ADR).
Eine Vorschrift, die eine abweichende Verpackungsgruppe als im ADR vorgegeben erlaubt, ist mir nicht bekannt... 2.1.2.8 ADR ist eine Vorschrift, die sich auf die Gefahr (Haupt/ Nebengefahr) bezieht, wenn diese nicht mit den Klassifizierungskriterien übereinstimmt, aber trotzdem als dieser Klasse zugehörig ausgewiesen wird. Dann kann man das per behördlicher Genehmigung machen; aber ist ein enormer Aufwand und bezieht sich mehr auf Fälle wie "Stoff X ist laut ADR Klasse 8, hat aber noch 6.1 als Nebengefahr, die nicht für diese Eintragung in Tabelle A ausgewiesen ist und ich will das aber mit dieser Zusatzgefahr gekennzeichnet befördern" und nicht auf Verpackungsgruppen.