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Autor Thema: Paraformaldehyd als Ersatz für Formaldehyd  (Gelesen 14178 mal)

Joe

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Paraformaldehyd als Ersatz für Formaldehyd
« am: 10. August 2012, 14:09:28 »
Hey,

ich wollte mal fragen, in welchen Fällen man statt Formaldehyd Paraformaldehyd nehmen kann, und
wo die Grenzen liegen.
Ich habe dafür ein paar Synthesen aus dem Organikum angeschaut, aber keine wirkliche Kontinuität
erkannt, außer, dass es im saueren Milieu und möglichst in der Hitze stattfinden sollte.

Gruß
Joe

Heuteufel

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Re: Paraformaldehyd als Ersatz für Formaldehyd
« Antwort #1 am: 11. August 2012, 21:52:48 »
Meinst du bei Reaktionen, bei denen im wässrigen Milieu gearbeitet wird (wovon ich ausgehe, weil du von "sauer" schreibst, oder solche, wo wasserfrei gearbeitet werden muss?
Wenn im wässrigen Milieu gearbeitet wird sehe ich nicht, warum man den "Umweg" über das Paraformaldehyd gehen sollte, wenn man genau so gut direkt Formalin einsetzen kann (z.B. Leuckart-Wallach, Cannizzaro-Reaktion, etc). Ein interessantes Beispiel zum Vergleich ist die Mannich Reaktion wo sowohl im wässrigen mit Formalin, als auch in einem organischen Lömi mit Paraformaldehyd gearbeitet werden kann. Der Vorteil bei der Variante mit Paraformaldehyd ist, dass es keine Löslichkeitsprobleme (Edukt z.B. wasserunlösliches aromatisches Keton) gibt.

Wenn es um Reaktionen im wasserfreien geht scheidet Formalin schon mal aus (z.B. Grignard). Hier kann man oft direkt mit Paraformaldehyd arbeiten, was bequem ist, oder man depolymerisiert zuerst das Paraformaldehyd und setzt das freie Monomer (Formaldehyd) um, was sich oft mit höheren Ausbeuten belohnt macht. Siehe hierzu z.B. http://www.orgsyn.org/orgsyn/orgsyn/prepContent.asp?prep=cv1p0188 (Bemerkung 5 + allemeine Vorgehensweise).
Am besten einfach immer nach Vorschrift arbeiten - bei der wässrigen Variante ist der Aufwand ja auf jeden Fall gleich. ;-)
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Joe

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Re: Paraformaldehyd als Ersatz für Formaldehyd
« Antwort #2 am: 14. August 2012, 01:23:52 »
Hey Heuteufel, danke schon mal für die hilfreiche Antwort.

Ich meine hauptsächlich wässrige Medien, allerdings ist die Frage eher allgemeiner Natur. Der Umweg über Paraform-
aldehyd erscheint für mich v.a. deswegen lohnenswert, da dies im Gegensatz zu Formaldehyd ein Stoff ist, welchen
man 1. leichter in einer Form, welche frei von Methanol (wobei dieses eigentlich eher selten stört), und 2. als Privat-
person überhaupt deutlich leichter zu bekommen ist (Xn <-> T).

Was u.U. für den einen oder anderen wichtig sein könnte, ist die leichtere Handhabbarkeit als Feststoff, die Tatsache,
dass die Menge leichter zu berechnen ist (Konzentration ändert sich nicht dadurch, dass es ausgast) und, was insbe-
sondere bei Allergikern (wie u.a. mir) von Bedeutung ist, ist, dass die Dämpfe leichter unter Kontrolle zu bekommen sind.
Schließlich ist eine saubere Atmosphäre im Labor allgemein das A und O eines sicheren Arbeitsplatzes  [unschuldig] (eigentlich
bin ich weniger der Sicherheitspädant, als der ich jetzt wahrscheinlich erscheine, wobei man das bei uns an der Uni die
ganze Zeit eingehämmert bekommt.. zum Beispiel im MC-Labor Handschuhpflicht beim Umgang mit höchstgiftigen Stoffen
wie Aceton oder Ethanol [autsch] ).

Was mich noch interessieren würde: was sind denn die Methoden womit man das Paraformaldehyd am besten depoly-
merisiert (einfach rein ins LöMi und erhitzen?). Als ich letzthins meine Reste einer ziemlich alten Formalin-Lösung
benutzt habe, in der sich schon ein Bodensatz aus PF gebildet hatte, hat er sich auch bei längerem Erhitzen bis zum
Siedepunkt des Wassers nicht gelöst, sondern erst unter Zugabe von wenig HCl.

Hast du, oder jemand anderes, u.U. einen praktischen Leitfaden zur Depolymerisation? Gibt es vllt. eine "kalte" Methode?
Und hätte vllt. jemand Literaturausbeuten noch für andere Reaktionen, als die Grignard-Reaktion im Vergleich von Form-
aldehyd, vordepolymerisiertem Paraformaldehyd und den direkten Einsatz von PF? Oder vielleicht auch Erfahrungen damit.

Gruß Joe

Heuteufel

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Re: Paraformaldehyd als Ersatz für Formaldehyd
« Antwort #3 am: 14. August 2012, 17:11:44 »
Wer nach einem ungefährlichern Ersatz für Formaldehyd-Lösung sucht (für den Einsatz im Labor wohlgemerkt), hat meiner Meinung nach... (den Rest kann sich jeder denken ;-D) (soll jetzt keine Beleidigung sein, aber irgendwie musste ich das doch kommentieren...). Was die Privatpersonensache angeht, das ist dann nochmal was anders...

Zitat
Als ich letzthins meine Reste einer ziemlich alten Formalin-Lösung
benutzt habe, in der sich schon ein Bodensatz aus PF gebildet hatte, hat er sich auch bei längerem Erhitzen bis zum
Siedepunkt des Wassers nicht gelöst, sondern erst unter Zugabe von wenig HCl.
Hast du nach deinem Versuch auch den Formaldehyd Gehalt bestimmt/hat die Reaktion mit der Lösung gut geklappt. Ich bin mir unsicher, aber ich habe den Verdacht, dass Erhitzen mit Säure zum gut wasserlöslichen Trioxan führt und somit der Depolymerisationsversuch nur scheinbar glückt (wäre mal interessant, das zu untersuchen - Freiwillige vor! :-)) Erhitzen im Autoklaven wäre eine Methode, die sicher zum Ziel führen würde, aber ich hab meine alte Formalinlösung einfach entsorgt und neue besorgt... ;-)

EDIT:
Zitat
sondern erst unter Zugabe von wenig HCl
Apropos Gesundheitsgefahren: Weißt du, warum die Chlormethylierung in Verruf geraten ist? ;-)
« Letzte Änderung: 14. August 2012, 17:20:03 von Heuteufel »
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Phil

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Re: Paraformaldehyd als Ersatz für Formaldehyd
« Antwort #4 am: 15. August 2012, 13:20:51 »
Du musst das PF auf etwa 250C heizen, Latextanks werden mit Formalin ausgegast, da dieses aber nicht erhältlich ist, wird es direkt hergestellt in dem man eine Kerze unter ein Metallblech stellt und PF darauf Giebt, so entsteht das Formalin und dessinfiziert den Tank. So kannst Du also PF in ein Glaskolben geben und mit einem Pilz oder Bunsenbrenner heizen, so hast Du reines Formalin.
Nicht die Gewalt einiger weniger ist gefährlich, sondern das Schweigen der Masse.
Wer suchet der findet. Wer drauftritt, verschwindet. Alte Mienenregel.
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Heuteufel

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Re: Paraformaldehyd als Ersatz für Formaldehyd
« Antwort #5 am: 15. August 2012, 13:48:48 »
Zitat
Du musst das PF auf etwa 250C heizen
So kannst Du also PF in ein Glaskolben geben und mit einem Pilz oder Bunsenbrenner heizen, so hast Du reines Formalin.
Ja natürlich, das geht auch (hab gar nicht dran gedacht :-[) Heißt aber erst das ausgefallene Paraformaldehyd abfiltrieren, dann erhitzen und das Gas wieder in die Lösung einleiten (Joe will ja kein gasförmiges Formaldehyd, sondern nur seine wässrige Lösung wieder "auffrischen" und eine wässrige Lösung auf 250 °C erhitzen geht leider nur im Autoklaven...)

PS: Möchte nicht allzu pingelig sein, aber der Begriff "Formalin" bezieht sich immer auf eine wässrige Formaldehyd-Lösung (soweit ich weiß). Wenn man von gasförmigem Formaldehyd spricht, sollte man also besser nicht den Begriff "Formalin" verwenden. Wollte das nur anmerken, damit es nicht zu Verwechslungen und Verwirrung kommt. :-)
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Re: Paraformaldehyd als Ersatz für Formaldehyd
« Antwort #6 am: 15. August 2012, 14:29:32 »

PS: Möchte nicht allzu pingelig sein, aber der Begriff "Formalin" bezieht sich immer auf eine wässrige Formaldehyd-Lösung (soweit ich weiß). Wenn man von gasförmigem Formaldehyd spricht, sollte man also besser nicht den Begriff "Formalin" verwenden. Wollte das nur anmerken, damit es nicht zu Verwechslungen und Verwirrung kommt. :-)


Gebe es nicht gerne zu aber Du hast recht. :-) Das Gasförmige Produkt heisst Methanal
Name      Trivialname   Formel Schmelztemp. Siedetemp.
Methanal Formaldehyd  HCHO     -91°C        -21°C 
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Joe

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Re: Paraformaldehyd als Ersatz für Formaldehyd
« Antwort #7 am: 21. August 2012, 01:22:16 »
Zitat
Apropos Gesundheitsgefahren: Weißt du, warum die Chlormethylierung in Verruf geraten ist? Zwinkern

 :-[ Da sieht man mal wieder was passiert, wenn man improvisiert ohne vorher nachzudenken,
naja, wurscht. War aber eh eher ein Mikroansatz (hatte leider nur noch sehr wenig [deswegen der
Thread]).
Deswegen kann ich auch nichts dazu sagen, wie die eigentliche Reaktion geklappt hat, weil ich
nicht geschafft hab das Produkt zu isolieren (doof wenn die Laborausrüstung von einem in
einen Rucksack für Schulanfänger passt,.. dreimal. Da kann man leider echt recht wenig im
"Labor" anstellen. Und mit Holzhammermethoden so n Mikroansatz aufarbeiten...  :-( )

Des ist auch grad der Grund weswegen ich schreib; bzw. das:

Zitat
Erhitzen im Autoklaven wäre eine Methode, die sicher zum Ziel führen würde [...]

Wie man sich vielleicht vorstellen kann, habe ich keinen Autoklaven. Und ich könnte mir denken,
dass da der Ein oder Andere u.U. eine gute Alternative parat hat (also für Autoklaven im Allgemeinen).

Gruß
Joe

Heuteufel

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Re: Paraformaldehyd als Ersatz für Formaldehyd
« Antwort #8 am: 21. August 2012, 12:04:03 »
OK, verstehe... wollte auch keinesfalls Kritik ausüben - selbst mit schlechter Ausrüstung zu versuchen interessante Experimente zu machen ist viel bewundernswerter, als wenn man das Glück hat... :-)
Mikroansätze sind pfui (sprich ich mag es nicht)!  :-D
Was die Sache mit dem Bis(chlormethyl)ether angeht, glaube auch ich, dass du dir nicht im geringsten Gedanken machen musst, aber es ist eine Problematik, die man stets im Hinterkopf behalten sollte.

Zitat
Wie man sich vielleicht vorstellen kann, habe ich keinen Autoklaven. Und ich könnte mir denken,
dass da der Ein oder Andere u.U. eine gute Alternative parat hat (also für Autoklaven im Allgemeinen).
Ich habe auch keinen Autoklaven - wäre aber schön einen zu haben... ;-)
Wirkliche Alternativen zu einem Autoklaven kenne ich nicht. Für Reaktionen wo der Druck nicht zu hoch wird kann man ein Bombenrohr benutzen oder eine "Deckel draufschrauben und beten, dass mir das Ganze nicht um die Ohren fliegt"-Alternative (scherzhaft gemeint: man soll natürlich nicht beten, sondern entsprechende Schutzmassnahmen treffen - aber ein gewisses Restrisiko bleibt bei Reaktionen unter Druck- besonders den improvisierten- immer). ;-D
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Joe

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Re: Paraformaldehyd als Ersatz für Formaldehyd
« Antwort #9 am: 21. August 2012, 21:29:24 »
Zitat
OK, verstehe... wollte auch keinesfalls Kritik ausüben - selbst mit schlechter Ausrüstung zu versuchen interessante Experimente zu machen ist viel bewundernswerter, als wenn man das Glück hat... Smiley

Ich find v.a., dass eben genau das das Besondere an der Hobbychemie ist. Alternativen suchen. Die Erfahrung,
welche man dadurch gewinnt, können dann auch im professionellen Labor (Uni, Arbeit, oder wenn man mal ein
halbwegs gutes Labor hätte ;-)) ausgesprochen hilfreich und wertvoll sein.
Und wenn man stets ein gutes Labor zur Verfügung hat, wird man wenig bemüht sein Lösungen für Probleme
zu finden, welche u.U. mit guter Ausrüstung gar nicht entstehen, aber trotzdem bedeutend sein können; denn:
Ein kreativer Chemiker, ist ein guter Chemiker  ;-D
Und mit Sicherheit fördern die auftretenden Schwierigkeiten das chemische Verständnis im Allgemeinen und
liefern wertvolle Ansätze für mögliche Probleme im Speziellen, welche auch im besten Labor auftauchen.
(Bitte nicht falsch verstehen, a la "besseres Labor -> schlechterer Chemiker; schlechteres Labor -> besserer Chemiker",
so meine ich das nun wirklich nicht !)

Trotzdem muss ich zugeben, dass es durchaus frustrierend ist, wenn man dann keine Lösung findet, bzw. diese
einfach nicht im persönlich Möglichen liegt (in meinem Fall: das Budget) und dann der Ansatz, wie klein er auch
sein mag, verworfen werden muss, weil er unrettbar verloren ist.   >:-(