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  • 28. März 2024, 23:34:17

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Autor Thema: Flusssäure Verdünnung halb automatisch  (Gelesen 5960 mal)

bombjack

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Flusssäure Verdünnung halb automatisch
« am: 16. November 2016, 08:41:50 »
Kurze Einleitung:
Bin in einer Firma involviert, die noch mit Flusssäure Glas ätzt. Zu dem Zweck wird Flusssäure 71-75% (in 30 kg Gebinden; Kanister) 50:50 mit Leitungswasser
verdünnt, wobei die Ansatzgrößen bei 190 bis 200 L liegen vgl. 


In dem Bild bin ich gerade beim mischen der HF-Lösung...

* Mischen.jpg (178.39 KB . 450x600 - angeschaut 885 Mal)

Frage:
Wir würden gerne diesen Vorgang halb-automatisieren d.h. mittels Volumenzähler für die HF und das Leitungswasser das Volumen messen (zur Zeit wird mit Wasser auf eine Marke der Behälter gefüllt und dann die HF mittels Schlauchpumpe hinzu gegeben), wobei die Genauigkeit ca. 3 bis 5 L Wasser betragen darf. Der Mischbehälter sollte mit einem Rührwerk ausgestattet und am Boden sollte ein Hahn sein, um kleinere Portionen der Mischung abzuzapfen.
Problem: Die HF wird nur in den 30 L Kanister geliefert d.h. Kanisterwechsel muss erfolgen bzw. ein Saugrohr muss umgesetzt werden.

 Wer kennt eine Firma die sich traut, so eine Anlage zu entwerfen bzw. könnte sich das vorstellen zu konstruieren?
 Eine Firma war bei uns im Betrieb schon da, hat sich allerdings den Entwurf und Bau nicht zugetraut und uns abgesagt.
« Letzte Änderung: 17. November 2016, 06:15:41 von bombjack »

PlanetScience

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Re: Flusssäure Verdünnung halb automatisch
« Antwort #1 am: 16. November 2016, 20:10:05 »
Füge doch den Inhalt des verlinkten Posts auch hier ein (zusätzlich zum Link). Allein schon wegen dem Bild, das man sonst erst nach einer Registrierung bei Chemieonline sehen kann.
Mein PGP-Schlüssel; Fingerprint: 7FAF A6DF 2554 B333 E87A 88A9 259F E617 B7F7 ED6E

synthon

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Re: Flusssäure Verdünnung halb automatisch
« Antwort #2 am: 13. November 2017, 17:45:46 »
Das sind ja absolut grauenhafte Arbeitsbedingungen!

Ein dreckiger Plastikbottich, ein Holzbrett zum Umrühren, irgendwelche Flüssigkeiten spritzen unkontrolliert herum... die Lagerhaltung absolut chaotisch. Ich bin entsetzt, dass es möglich ist, unter solchen Bedingungen mit konz. Flußsäure zu arbeiten. Aus meiner Sicht müsste man den Laden zumindest für diese Tätigkeit dicht machen. Was sagt denn die BG dazu? Oder traut die sich da schon gar nicht mehr rein? Aus meiner Sicht gehört das komplett eingehaust, abgesaugt... eine Wanne, die eine eventuelle Havarie auffängt. Neutralisationsanlage, Notdusche etc. etc. Was passiert mit dem Holzbrett, nachdem die Mischung fertig gerührt ist?

Man stelle sich vor, dieser seltsame Bottich bricht, dann steht ihr direkt in der HF... bei den Ansatzgrößen sind Tote im Havariefall ja schon fast vorprogrammiert. Wie wird der Laden denn belüftet? Wie wird verhindert, dass andere Mitarbeiter dieser Mischung zu nahe kommen? Es gibt ja nicht mal Hinweisschilder.

https://www.uni-kassel.de/intranet/fileadmin/datas/intranet/bau_technik_liegenschaften/vc/02_arb/Flusssaeure/flusssaeure_uva101_17-1.pdf

Dass ein in Frage kommender Dienstleister angesichts derart katastrophaler Zustände sofort absagt, wundert mich nicht. Mit derartiger Fahrlässigkeit wollte ich auch nichts zu tun haben. Habt ihr überhaupt sachkundige Leute im Betrieb? Wenn in einer Waschküche in Bangladesch so Wäsche gewaschen wird, dann wundert mich das nicht - aber ein Betrieb in Deutschland, der auf diese Art und Weise mit HF arbeitet?

Sorry, aber dazu fällt mir absolut gar nichts mehr ein.
« Letzte Änderung: 13. November 2017, 17:49:43 von synthon »

Phil

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Re: Flusssäure Verdünnung halb automatisch
« Antwort #3 am: 13. November 2017, 17:54:31 »
Hey Synthon, ich sah schon schlimmeres, Du kannst davon ausgehen dass der Botich auf einer Wanne steht wo bei einem Bruch alles abläuft.
Holz ist innert und kann abgespült werden, in einer Namhaften Firma sah ich eine Holzanlage zur Herstellung von MeJ, die war bis in die 80er Jahre in Betrieb.
Auf dem Foto siehst Du auch fliesendes Wasser, da kann man sich ja auch im Notfall Duschen. Aber Er fragt ja auch für eine neue Anlage nur wissen wir leider nicht ob nun Jemand eine Gebaut hat, das währe eine Antwort wert.
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synthon

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Re: Flusssäure Verdünnung halb automatisch
« Antwort #4 am: 13. November 2017, 21:52:58 »
Klar, es geht immer schlimmer, aber Betriebe, die derart fahrlässig mit Gefahrstoffen umgehen und so Leben und Gesundheit ihrer Mitarbeiter gefährden... denen gehört richtig eingeschenkt. Willkommen in Deutschland. Wasserstoffperoxid in Konzentrationen über 12% zu verkaufen ist zu gefährlich, aber HF im 100-Liter-Maßstab auf Waschküchen-Niveau zu panschen ist kein Thema.

Selbst wenn das Holz ggü. HF inert ist, so saugt es sich doch voll. Handtellerflächengroße Verätzungen mit HF sind potentiell tödlich und für einen letalen Ausgang sind Konzentrationen ab 5% brauchbar. Der Handteller ist hier locker überschritten und bei Verdünnung der 70% HF sind immer noch 35% Konzentration mehr als genug...

Das fließende Wasser für die Notfalldusche war sicher ein Witz von dir, oder?

Ich würde empfehlen, mir einen Dienstleister für die Handhabung von Gefahrstoffen auszusuchen, um überhaupt erst mal auf ein Niveau zu kommen, was die Bezeichnung verdient. Das, was hier auf dem Bild zu sehen ist, spottet jeder Beschreibung. Zur generellen Arbeitssicherheit in der Chemie: BG RCI.
Hier mal noch ein paar Links - vielleicht hilft einem ja eine Firma weiter, die mit solchen Verbindungen arbeitet:
https://www.honeywell-hfacid.com/
http://www.eurofluor.org/publications-and-recommendations/
http://f2chemicals.com/

bombjack

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Re: Flusssäure Verdünnung halb automatisch
« Antwort #5 am: 16. November 2017, 07:56:29 »
Was sagt denn die BG dazu? Oder traut die sich da schon gar nicht mehr rein?

Das sagt gar nichts dazu....weil nicht in Deutschland und die hiesigen Behörden haben keine Probleme damit...




Zitat
Aus meiner Sicht gehört das komplett eingehaust, abgesaugt... eine Wanne, die eine eventuelle Havarie auffängt. Neutralisationsanlage, Notdusche etc. etc. Was passiert mit dem Holzbrett, nachdem die Mischung fertig gerührt ist?

Notdusche ist vorhanden
Neutralisation ebenso...
Wanne auch....


Zitat
Man stelle sich vor, dieser seltsame Bottich bricht, dann steht ihr direkt in der HF... bei den Ansatzgrößen sind Tote im Havariefall ja schon fast vorprogrammiert. Wie wird der Laden denn belüftet? Wie wird verhindert, dass andere Mitarbeiter dieser Mischung zu nahe kommen? Es gibt ja nicht mal Hinweisschilder.

Sag mal kennst Du den Spruch von Herrn Nuhr?

a) Der Bottich bricht nicht, da aus Plastik und selbst wenn dann gibt es einen Riss und keine schlagartige Überschwemmung...
b) Da ich derjenige bin der da zu sehen ist.....ich trage Vollschutz....und der Kollege steht mit dem Wasserschlauch bereit....
c) Belüftung: Die Ventilatoren saugen bei uns recht gut.....der Dampf zieht sofort ab.....ginge da auch ohne Maske....eigene Erfahrung...
d) Mitarbeiter: Da kennt sich jeder aus und weiß z.B. auch dass das Holzbrett zum rühren der Flusssäure verwendet wird und Lieferanten und andere Leute kommen gar nicht in den Bereich...
e) Warnschilder, sind nicht auf dem Foto zu sehen....deswegen der Nuhr-Satz....

Zitat
Dass ein in Frage kommender Dienstleister angesichts derart katastrophaler Zustände sofort absagt, wundert mich nicht. Mit derartiger Fahrlässigkeit wollte ich auch nichts zu tun haben

LOL....das ist der Joke schlecht hin....warum glaubst Du haben wir da eine Firma involviert? Hint: Wir wollen die Situation (die ja wirklich nicht optimal ist) ändern.....
Die Firma hat es sich nicht zugetraut....weil keine Erfahrung mit HF....


Zitat
Habt ihr überhaupt sachkundige Leute im Betrieb? Wenn in einer Waschküche in Bangladesch so Wäsche gewaschen wird, dann wundert mich das nicht - aber ein Betrieb in Deutschland, der auf diese Art und Weise mit HF arbeitet?

Ja die Leute haben wir und bei denen ist es nicht nur Theorie, sondern Praxis....und wie gesagt....von den Behörden kam da kein Einspruch.....

bombjack


synthon

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Re: Flusssäure Verdünnung halb automatisch
« Antwort #6 am: 16. November 2017, 19:56:57 »
Ich habe Bilder aus Betrieben gesehen, die professionell mit HF arbeiten. Da geht alles vollautomatisch. Was ihr da treibt, ist maximal dilettantisch. Derartige Bilder kannte ich bisher nur von Referenten der BG und hielt einige für gestellt. Aber die Realität sieht wohl tatsächlich so aus. Ihr seid so der typische Betrieb, der Sicherheitsbeauftragten Kopfzerbrechen bereitet: null Einsicht, kein Gefühl für die katastrophalen Zustände, völlig unzureichende Sicherheitsmaßnahmen, gepaart mit "wir machen das schon immer so" und "da passiert nichts, die Leute wissen Bescheid." Unfälle passieren vor allem dann, wenn genug Faktoren zusammen kommen, und das könnte bei euch ziemlich schnell erreicht sein. Dass Tote im Havariefall vorprogrammiert sind, ist definitiv so. Da musst du mir nicht mit dem Herrn Nuhr kommen, der Satz gilt definitiv eher für dich. Kennst du die letale Dosis von HF? Schau dir doch einfach mal die Fallbeispiele in diesem PDF an, wie bereits verlinkt:
https://www.uni-kassel.de/intranet/fileadmin/datas/intranet/bau_technik_liegenschaften/vc/02_arb/Flusssaeure/flusssaeure_uva101_17-1.pdf

https://www.emsworld.com/article/10319665/hydrofluoric-acid-what-you-need-know
https://chemistry.harvard.edu/files/chemistry/files/safe_use_of_hf_0.pdf

Und da willst du mir erzählen, dass eine derart stümperhafte Einrichtung und Ausführung genug Sicherheit ist, und dass es auch ohne Schutzmaske geht, nach "eigener Erfahrung"?
" The lowest lethal concentrations for Hydrogen Fluoride range from 50-250 ppm for a 5-minute exposure"
https://www.uab.edu/ohs/images/docs/chem/HFUserGuide-2016-09-29.pdf
Sorry, aber du/ihr habt doch echt den Knall nicht gehört. Zeige mir mal einen Chemiker, der eine derartige Handhabung mit HF akzeptabel findet. Und schau dir parallel mal Labore an, die mit HF bzw. Fluoriden arbeiten. Das sind alles andere als Waschküchen.

Aber genug von dieser Sache - ich habe meine Ansichten kund getan, wenn du keine großen Probleme siehst, ist ja alles in bester Ordnung. Lass uns nicht streiten. Alles, was jetzt noch dazu kommen würde, wäre unproduktiv. Zurück zur eingangs gestellten Fragen - wer richtet mir den Laden ein?

Honeywell arbeitet mit HF
https://www.honeywell-hfacid.com/safety-handling/#grades
Vielleicht wäre das für euch geeignet. Wird aber sicher teuer.

Sonstige:
http://www.fluorchemie.de/images/Fluorchemie/eurofluor.pdf
http://www.ammt.com/products/hydrofluoric-acid-vapor-etcher/hfve-system/

bombjack

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Re: Flusssäure Verdünnung halb automatisch
« Antwort #7 am: 16. November 2017, 21:52:45 »
Hm interessant....Dein Zitat mit den 50 bis 250 ppm und das Zitat aus dem deutschen PDF:

* Unbenannt.PNG (21.25 KB . 227x187 - angeschaut 662 Mal)

Was stimmt denn nun?


Btw. Fallbeispiele.....das erste passt irgendwie nicht....ein Siedeverzug passiert bei Flusssäure nicht bei 60°C, denn das ist der Siedepunkt von 72%iger vgl. http://www3.imperial.ac.uk/pls/portallive/docs/1/7276108.PDF
Zudem hat HF ein Azeotrop mit 37% und Siedepunkt von 120°C vgl.  https://en.wikipedia.org/wiki/Azeotrope_tables
Plus....ein Siedeverzug so stark, dass es die Tür der Mikrowelle aufreißt.....hm....welche Mengen wurden da als Dampf freigesetzt...da werde ich das Gefühl nicht los, dass das nicht nur die Spritzer waren, die da gewirkt haben....

Bei zweiten stellt sich die Frage, was den der Arbeiter an hatte? Normale Straßen-Klamotten......ansonsten wäre die HF gar nicht bis zum Oberschenkel gekommen....und wo ist bitte der Unterschied von einer Schwalldusche und meinem Kollegen der mit dem Wasserschlauch bereit steht um mich im Fall des Falles abzuduschen.

Aber Du hast Recht.....streiten bringt nichts...auch wenn ich bei HF das Gefühl nicht los werde, dass es da zumindest ein wenig so ähnlich ist wie mit der Pikrinsäurehysterie. Okay ist ziemlich provokant, wenn man aber ließt das HF in den USA zum Autowaschen eingesetzt wird vgl. https://www.cdc.gov/mmwr/preview/mmwrhtml/mm6432a4.htm und sich die Anzahl der Verätzungen ansieht, dann kommen mir doch so gewisse Zweifel wie hoch die Gefahren da in der Praxis/Realität da wirklich sind.....okay unsere Stocklösungen von über 70% sind da komplett außen vor....und Vorsicht ist da eher besser wie Nachsicht...vgl. http://illumina-chemie.de/glass-etching-t4577.html
Armour Etch habe ich inzwischen ausprobiert und die Mischung ist verdammt schnell....besteht aus Bariumsulfat mit Ammoniumhydrogendifluorid. Die Verarbeitung ist wegen der Cremigkeit nicht so gut.....


Firma habe ich inzwischen....mal sehen was die sagen...


bombjack

synthon

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Re: Flusssäure Verdünnung halb automatisch
« Antwort #8 am: 16. November 2017, 22:36:02 »
Pikrinsäure lässt sich meines Wissens angefeuchtet recht gefahrlos handhaben. Bei HF wird es schwierig, außer einer hohen Verdünnung (<5 %) gibt es da nicht viele Möglichkeiten. Das Zeug hat einfach das Potential, üble Schäden anzurichten, die sich nur schwer in den Griff bekommen lassen. Kenne die notfallmedizinischen Aspekte von HF, das ist echt nicht ohne. Je nach Bedingungen... Glück oder Pech... klinische Daten sind schwierig, da gibt es eine sehr große Bandbreite an Aussagen, dementsprechend sind Widersprüche nichts unübliches. Leider.

Vielleicht könntest du mir mitteilen, was die Firma anbietet, so von der Ausstattung her? Alternativ müsste es doch auch Dienstleister geben, die euch große Mengen bereits verdünnt liefern?