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Autor Thema: Innerer Aufbau eines O2-Flaschenventils  (Gelesen 6133 mal)

Stefan

  • Gast
Innerer Aufbau eines O2-Flaschenventils
« am: 12. März 2011, 22:15:25 »
Dies ist eine leere 1L-Flasche medizinischer Sauerstoff (150 atü laut Prägung, Hersteller: Air Liquide) mit abgelaufenem TÜV, die zusammen mit einer Sauerstoffmaske zur Ausrüstung eines Notarztes gehörte.

* AL1.jpg (24.05 KB . 600x450 - angeschaut 749 Mal)

Die Flasche ist sehr handlich, bequem mit einer Hand zu tragen und hat die perfekte "lecture bottle"-Größe, um sie auf dem Labortisch verwenden zu können.
Das Ventil aus der Nähe:

* AL2.jpg (38.79 KB . 600x450 - angeschaut 756 Mal)

Nach dem Abschrauben des Ventils, was massive Gewaltanwendung erforderte und wobei der Lack der Flasche an den eingespannten Stellen bis auf den blanken Stahl abgerieben wurde, kam unten am konischen Flaschenanschlussgewinde ein bronzener Sinterfilter zum Vorschein:

* AL3.jpg (30.08 KB . 600x450 - angeschaut 718 Mal)

Dieser wurde abgeschraubt und das Ventil weiter zerlegt. Nach dem abhebeln der Kunststoffkappe und abschrauben der Mutter konnte man das Ventilrad zusammen mit dem Mitnehmer abnehmen:

* AL4.jpg (32.42 KB . 600x450 - angeschaut 777 Mal)

Die große Sechskantmutter, welche ebenfalls sehr fest eingeschraubt war, gab nach dem Abschrauben den Blick auf das Innere des Ventils frei:

* AL5.jpg (31.55 KB . 600x450 - angeschaut 770 Mal)
Die Oberspindel (das rechte Messingteil) wird vom Handrad gedreht und dreht über den Schlitz, in welchen die Unterspindel (linkes Messingteil) gesteckt wird, die letztere im Gewinde. Auf der Unterseite der Unterspindel befindet sich eine Dichtung aus recht hartem Kunststoff. Diese dichtet den vollen Flaschendruck ab.

Blick von oben auf den Ventilsitz, auf den die Dichtung drückt- ebenfalls aus Messing:

* AL6.jpg (27.83 KB . 600x450 - angeschaut 722 Mal)

Bemerkenswert ist, dass sich in der Unterspindel eine Querbohrung befindet, die bei geöffnetem Ventil den vollen Flaschendruck durch die Unterspindel auf die Oberspindel gibt:

* AL7.jpg (27.13 KB . 600x450 - angeschaut 744 Mal)

* AL8.jpg (26.54 KB . 600x450 - angeschaut 710 Mal)
Die Oberspindel wird vom Flaschendruck gegen die zwei Teflon- und den schwarzen Gummiring (siehe fünftes Bild) gedrückt und hält so dicht.

Das Ventil ist aller Wahrscheinlichkeit nach aus vernickeltem Messing. Das legen die goldene Farbe an beschädigten Stellen und die Tatsache, dass ein Magnet schwach angezogen wird (Nickel ist ferromagnetisch), nahe. Die beweglichen, abdichtenden Innenteile sind aus bloßem Messing.
Also nichts mit Stahl oder gar Edelstahl, trotz der vielversprechenden äußeren Optik des Ventils.


Zum Vergleich eine 5L-Sauerstoffflasche von Dräger aus früherem Bundeswehr-Bestand, die ein ganz anders aussehendes Ventil besitzt:

* D1.jpg (29.5 KB . 600x450 - angeschaut 715 Mal)

Ich war nicht in der Lage, das Flaschenventil abzuschrauben. Es war einfach zu stark festgeknallt.
Bevor ich mich noch verletze oder das Ventil bis zur Unbrauchbarkeit beschädige, lasse ich weitere Anstrengungen vorerst sein.
Eine Abplatzung der obersten Schicht am Schraubanschluss lässt auch hier die Wahrheit erkennen:

* D2.jpg (28.76 KB . 600x450 - angeschaut 711 Mal)
Vernickeltes Messing. Wie beim Air Liquide-Ventil nur sehr schwache Reaktion eines Magneten auf das Ventil.

Ich konnte noch das Handrad abschrauben:

* D3.jpg (29.16 KB . 600x450 - angeschaut 704 Mal)
aber die Sechskantmutter war dermaßen fest angezogen dass ich sie mit dem passenden Schraubenschlüsel nicht entfernen konnte, obwohl ich so fest daran zog dass sich die Ecken der Mutter verformten und rund wurden.

Eine sehr gute Übersicht über den inneren Aufbau von Ventilen für Atemluftflaschen (zum Tauchen und für umluftunabhängige Atemgeräte der Feuerwehr) findet man auf dieser Seite:
http://www.seveke.de/tauchen/technik/1ventile2.htm
Auch auf Seite 1 und Seite 3 (ganz unten) klicken!

Das Ventil meiner 1L-Flasche ähnelt stark diesem sog. Einfachventil, ist jedoch nicht völlig damit identisch: http://karldietrich.gmxhome.de/ventile/einfachventil.jpg


Dieses Zerlegen von Gasflaschenventilen ist eine Vorbereitung für mein Vorhaben, die 1L-Flasche mit Schwefeldioxid zu befüllen.
Laut Cole-Parmer wird Messing von Schwefeldioxid stark angegriffen, Kupfer ist jedoch beständig.
Zink, der Legierungsbestandteil im Messing, reagiert meines Wissens nach mit SO2 zu Zinkdithionit (technische Methode zur Hertsellung von Dithioniten: Einleiten von SO2 in wässrige Zinkstaubsuspension).
Jedoch greift laut derselben Quelle Ammoniak Messing und Kupfer stark an, während das Messingventil meiner selbstbefüllten Ammoniakflasche schon seit mehreren Jahren dicht und immer noch funktionsfähig ist!
Es besteht also Grund zur Hoffnung, dass das Ventil auch Schwefeldioxid vertragen könnte. Dies will ich demnächst experimentell überprüfen.

Bemerkenswert ist übrigens die Tatsache, dass Kupfer nicht nur gegen Schwefeldioxid, sondern auch gegen trockenes Chlor beständig ist. Die Beständigkeit gegen Chlor wird auch von Ullmanns Enzyklopädie der technischen Chemie bestätigt. Kupferne Rohrleitungen kommen also zum Umgang mit diesen beiden Gasen ohne weiteres in Betracht.


Mephisto

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Re: Innerer Aufbau eines O2-Flaschenventils
« Antwort #1 am: 13. März 2011, 21:21:35 »
Schöner Appetizer auf Dein nächstes Projekt. Das macht natürlich Neugierig...

Komprimierst Du Ammoniak und SO2 mit einem Kühlschrank-Kompressor und hält er das alles aus? Was planst Du mit komprimiertem SO2 in einer "lecture bottle"?
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Stefan

  • Gast
Re: Innerer Aufbau eines O2-Flaschenventils
« Antwort #2 am: 13. März 2011, 21:48:16 »
Das SO2 verflüssige ich durch Kühlung, da mir ein Kryostat zur Verfügung steht.
Mit dem Kühlschrankkompressor würde ich heute nicht mehr arbeiten, der den ich damals für das Ammoniak verwendet hatte war bald danach Schrott, und ich habe ihn schon längst entsorgt.

Zur Erzeugung und Verflüssigung von SO2 siehe Sciencemadness:
http://www.sciencemadness.org/talk/viewthread.php?tid=15644
Sehr gelegen kam mir heute die Entdeckung, dass die Reaktion von konz. Schwefelsäure mit Schwefel von Eisen(III)oxid bzw. -sulfat katalysiert wird. Damit ist es möglich, mit Chemikalienkosten von weniger als 10€ 1kg Schwefeldioxid herzustellen. Ein Schwefelbrenner wäre sinnlos, da das SO2 dann durch Stickstoff verdünnt ist und sich nur unter großen Verlusten isolieren lässt.

Stickstoffdioxid

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Re: Innerer Aufbau eines O2-Flaschenventils
« Antwort #3 am: 13. März 2011, 23:42:16 »
Sehr interessant!

Wo hast du die Flasche her, bei Air Liquide weil ohne TÜV verbilligt gekauft, oder woanders her?

P.S.: Hey, Stefan, du lebst! Ich meine chemierst  ;-D . Schön, wieder etwas von dir zu hören, ich hab deine Werke auf VC immer sehr geschätzt, und wie ich sehe bist du nun im Sciencemadness-Board aktiv.