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Autor Thema: Potenzielle Risiken im Labor (abgetrennt)  (Gelesen 10621 mal)

Mephisto

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Potenzielle Risiken im Labor (abgetrennt)
« am: 07. Oktober 2012, 21:29:18 »
Danke für die tollen Fotos. Das größere Format macht sich auch gut. Praktisch, dass Du die Synthese mit den gleichen Mengenangaben wie in der Synthesevorschrift durchgeführt hast und sogar die Ausbeute fast identisch ist. Also habe ich die Fotos zur Vorschrift hinzugefügt:

www.lambdasyn.org/synfiles/mephenesin.htm



Edit: Da sich ab hier die Diskussion um potenzielle Risiken im Labor entwickelt hat, habe ich den Teil vom Foto-Thread abgetrennt.

Du weißt ja mit Sicherheit, dass Benzol wegen seiner Karzinogenität in den meisten Laboren gemieden wird und praktisch komplett durch Toluol ersetzt wurde. Das sollte man als Hobbychemiker auf jeden Fall auch tun.
« Letzte Änderung: 17. Oktober 2012, 21:47:57 von Mephisto »
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Heuteufel

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Potenzielle Risiken im Labor (abgetrennt)
« Antwort #1 am: 07. Oktober 2012, 22:24:09 »
Super!  [daumenhoch]

Was die Sache mit Benzol angeht: Es ist problematisch. Folgendes ist auf jeden Fall klar:

Benzol und Toluol sind 2 verschiedene Lösungsmittel, die nicht einfach so gegeneinander austauschbar sind (unterschiedliche Sidepunkte, Reaktivität, Lösungsmitteleigenschaften). Wird in einer Vorschrift Benzol als Extraktionsmittel, oder als Eluent genommen, so sollte man auf jeden Fall Toluol nehmen, denn in dieser Hinsicht unterscheiden sich die Lömis kaum, und die Gefahr einer Exposition ist gross. Wird Benzol jedoch zum Umkristallisieren, oder als Lösungsmittel für eine Reaktion genommen, so kann es sein, dass der Einsatz von Toluol zu schlechteren, oder ganz miesen Ergebnissen führt.

Benzol ist nicht so schlimm, wie sein Ruf. Wenn Benzol so hoch als Karzinogen eigestuft ist, dann, weil so viele Daten zur Humanexposition vorliegen (und lange Zeit allzu sorglos damit umgegangen wurde). Es gibt weit schlimmere Karzinogene im Labor, die weniger bekannt sind, und mit denen sehr viel sorgloser umgegangen wird. Hydrazin soll z.B. weitaus schlimmer sein und gehört noch zu den gut bekannten Substanzen. Ich kann das persönlich nicht beurteilen, aber so, oder ähnlich, lautete die Meinung eines Toxikologen zu dem Thema.

Hier auch noch was Interessantes zum Thema, von einem Chemiker, den ich nicht persönlich kenne, aber von seiner Internetpräsenz her für überaus kompetent halte: http://orgprepdaily.wordpress.com/2011/04/29/under-used-lab-solvents/

Ich kann nur zustimmen: Benzol sollte man meiden. Aber ich glaube auch, dass teilweise zu viel Panik um dieses sehr nützliche Lösungsmittel gemacht wird.

Noch ne Frage: Wie viel Benzol darf im Benzin drin sein? Ich glaube etwa 1 % (?). Für ein so fieses Karzinogen eigentlich ganz viel, in Anbetracht der Tatsache, dass es bei den meisten Menschen eine lebenslange Exposition gibt; je nach Beruf sogar ganz kräftig. [denk]

Ich möchte auf keinen Fall behaupten, Benzol sei harmlos. Ich persönlich kenne auch nicht genug vom Thema um die Gefahr selbst zu beurteilen, aber von dem her, was ich so höre, würde ich eher sagen, dass es keine Totsünde ist mal ab und zu Benzol als Lömi zu nehmen. Ich bin gern bereit mich eines Besseren belehren zu lasse - vielleicht verhilft es mir ja zu einem längeren Leben. :-)

EDIT:
OK, ich gebe zu, das richtige Vorgehen wäre gewesen, erst zu probieren, was Toluol für Ergebnisse gibt, und dann erst im Notfall zu Benzol zu greifen. Ein Sieg für die Faulheit... ::-)
Ich bin jetzt aber neugierig, und möchte Toluol im Nachhinein ausprobieren: Selbe Menge pro g Substanz, selbes Vorgehen, und auch bis zum Sieden erhitzen, oder anders? Ich bin mal gespannt auf die Ergebnisse. :-)
« Letzte Änderung: 07. Oktober 2012, 22:55:40 von Heuteufel »
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Mephisto

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Potenzielle Risiken im Labor (abgetrennt)
« Antwort #2 am: 08. Oktober 2012, 13:44:41 »
Ok, teilweise ist es auch eine Glaubensfrage. Ich für meinen Teil, finde ich die Risikominimierung beim Ersatz von Benzol durch Toluol sehr sinnvoll. Meine Erfahrungen haben mir gezeigt, dass in den meisten Fällen Toluol verwendet werden kann. Ausnahmen waren bei mir nur einige metallkatalysierte C-C-Knüpfungsreaktionen.

Nur als Vermutung würde ich annehmen, dass die Kristallisation auch durch Lösen in einer minimalen Menge heißen EtOAc und Zugabe eines großen Überschusses Hexan über Nacht stattfinden sollte. Ich habe sehr viele Aromaten so umkristallisiert.

Es ist vor allem eine Glaubensfrage, weil niemand die Langzeitfolgen abschätzen kann und viele Institutionen regeln für sich sehr unterschiedlich was gefährlich ist und was nicht. Ich kenne z.B. einen Arbeitskreis, der Hexan komplett verbannt hat und stattdessen nur Cyclohexan verwendet, oder einen französischen Postdoc, bei dem am Institut kein Silica verwendet werden darf. Dort wird alles mit bereits in Kartuschen abgepacktem Silica chromatographiert.
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Heuteufel

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Potenzielle Risiken im Labor (abgetrennt)
« Antwort #3 am: 09. Oktober 2012, 23:59:46 »
Danke für den Tipp mit EtOAc und Hexan. :-)
Beim Silika setze ich übrigens immer, ganz vorbildlich, eine Staubmaske auf. Damit bin ich wohl aber auch so ziemlich der Einzige, der das tut... ;-)
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Potenzielle Risiken im Labor (abgetrennt)
« Antwort #4 am: 17. Oktober 2012, 04:31:11 »
Irgendwo her muss es ja kommen, dass Chemiker eine statistisch gesehen deutlich kürzere Lebenserwartung haben als der Durchschnitt ^^

Phenolphthalein ist eine der Substanzen bei der kaum einer weiß, dass das Zeug krebserregend ist. Wird(wurde?) ja sogar in Chemiebaukästen für Kinder verkauft...

Noch eines fürs präparative tolles aber viel verbanntes Lömi ist übrigens auch Tetrachlormethan!  :-(
Absolut genial z.B. für Bromierung mit NBS, da NBS schwerer ist als Tetrachlormethan aber das entstehende Succinimid leichter und oben aufschwimmt...

Es ist vor allem eine Glaubensfrage, weil niemand die Langzeitfolgen abschätzen kann und viele Institutionen regeln für sich sehr unterschiedlich was gefährlich ist und was nicht. Ich kenne z.B. einen Arbeitskreis, der Hexan komplett verbannt hat und stattdessen nur Cyclohexan verwendet, oder einen französischen Postdoc, bei dem am Institut kein Silica verwendet werden darf. Dort wird alles mit bereits in Kartuschen abgepacktem Silica chromatographiert.
:-o wtf
Ist hochdispereses oder mikrokristallines Silica nicht sogar in den meisten Medikamenten? Dachte nur Silica-Fasern (Asbest) sei krebserregend?
Und ich dachte außerdem immer Hexan wäre völlig ziemlich harmlos bei normalem Gebrauch (Wird ja sogar als Wundbenzin verkauft)?

Habe mit beiden Sachen schon sehr viel herumgeast
« Letzte Änderung: 17. Oktober 2012, 04:48:51 von HardChemistryStudent »

Phil

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Potenzielle Risiken im Labor (abgetrennt)
« Antwort #5 am: 17. Oktober 2012, 06:15:57 »
Auch Toluol zaehlt zu den Kanzerogenen wie auch unsere Luft wegen dem Feinstaub. Aber wir werden immer aelter, woran das wohl liegen mag :P ?
Nicht die Gewalt einiger weniger ist gefährlich, sondern das Schweigen der Masse.
Wer suchet der findet. Wer drauftritt, verschwindet. Alte Mienenregel.
Heute ist nicht alle Tage ich komm wieder keine Frage.
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Heuteufel

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Potenzielle Risiken im Labor (abgetrennt)
« Antwort #6 am: 17. Oktober 2012, 16:50:29 »
Beim Hexan hat man hat das Problem, dass der neurotoxische Metabolit 2,5-Hexandion (http://de.wikipedia.org/wiki/2,5-Hexandion) gebildet wird. OK, es gibt schlimmeres, aber wenn es der um 1 C kürzere, oder längere Homologe KW. auch bringt, warum eine Exposition riskieren? 2,5-Hexandion kann man übrigens leicht aus Acetessigsäureethylester, Natrium und Iod über den Diacetylbernsteinsäureester herstellen, und anschließend eine Synthese von 2,5-Dimethylfuran durch Erhitzen mit ZnCl2 in Ac2O daran anknüpfen. Eine schöne Versuchsreihe fürs OC-Anfängerpraktikum.  :-)

Was das Silika angeht: Ich weiß nicht genau, wie krebserregend das Zeug ist, aber es erscheint mir logisch, dass Feinstaub allgemein nichts in der Lunge zu suchen hat, und Silika kann ganz schön stauben... ;-)
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Mephisto

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Re: Potenzielle Risiken im Labor (abgetrennt)
« Antwort #7 am: 17. Oktober 2012, 21:49:02 »
Auch Toluol zaehlt zu den Kanzerogenen wie auch unsere Luft wegen dem Feinstaub.

Beim Benzol ist ja sein Epoxid der gefährliche Metabolit, während Toluol bevorzugt an der Seitenkette oxidiert wird und so schneller den Körper verlässt.

Ist hochdispereses oder mikrokristallines Silica nicht sogar in den meisten Medikamenten? Dachte nur Silica-Fasern (Asbest) sei krebserregend?

Beim Silica ist hängt es von der Korngröße an. Ich verwende z.B. zur Flashchromatographie 0,04-0,063 mm Körnung, also eigentlich noch kein Feinstaub, aber es ist wie Heuteufel sagte, die gleiche Problematik wie mit Asbest-Fasern in der Lunge. In gröberer Körnung ist es natürlich als inerter Stoff harmlos.

Ich habe den Teil über Sicherheitsaspekte vom Foto-Thread abgetrennt.
« Letzte Änderung: 17. Oktober 2012, 21:53:29 von Mephisto »
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Re: Potenzielle Risiken im Labor (abgetrennt)
« Antwort #8 am: 18. Oktober 2012, 00:20:24 »
Naja, ich glaube, Asbest ist schon ein Sonderfall, was die Gesundheitsgefahren angeht, und nicht wirklich mit Silica vergleichbar ( ---> besondere Struktur der Asbestfasern). Aber immerhin gibt es eine Arbeitskrankheit, die Silikose heißt, und das kommt nicht von ungefähr (http://de.wikipedia.org/wiki/Silikose). Aber auch "Asbest" ist nicht gleich "Asbest"... 

Zitat
Ist hochdispereses oder mikrokristallines Silica nicht sogar in den meisten Medikamenten? Dachte nur Silica-Fasern (Asbest) sei krebserregend?
Bei sachgerechter (oraler) Anwendung dürfte das kein Problem darstellen.  ;-D

Was übrigens unglaublich gestaubt hat, war das Acridon (siehe Lucigenin-Thread) nach der Soxhlet-Aufarbeitung. Ich hab noch nie was derartiges gesehen: Man hatte den Eindruck, dass das Gefäss raucht, auch noch Minuten nach dem Umfüllen... Hat aber schön im Sonnenlicht gefunkelt und geglitzert. [dance]   
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Re: Potenzielle Risiken im Labor (abgetrennt)
« Antwort #9 am: 20. September 2016, 16:14:21 »
Dieser Thread ist zwar schon ziemlich alt, aber wenn ich ihn gefunden habe, kann es wohl nicht schaden, noch etwas dazu beizutragen  ;-)

Gerade was die Chromatografie angeht, kann manchmal selbst so ein vermeintlich "unwichtiger" Unterschied wie der zwischen n-Hexan und n-Heptan einen deutlichen Unterschied im Ergebnis bewirken!

Eine Ausbildungs-Kameradin von mir hat mal in einer DC versehentlich Heptan statt Hexan verwendet - und prompt war die Auftrennung deutlich besser! Ich denke, das kann bei Toluol/Benzol zum Beispiel durchaus auch passieren ...

LG,
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Re: Potenzielle Risiken im Labor (abgetrennt)
« Antwort #10 am: 20. September 2016, 21:29:26 »
Der Umgang mit problematischen Chemikalien sollte prinzipiell kein Problem sein, wenn die richtigen Sicherheitsvoraussetzungen gegeben sind. Vernünftigerweise wird man es erst mal mit unbedenklichen Verbindungen probieren, bevor man zu bedenklichem Material greift. Gibt da das STOP-Prinzip:
S - Substitution
T - Technische Maßnahmen
O - Organisatorische Maßnahmen
P - Persönliche Schutzausrüstung
An erster Stelle kommt der Ersatz bedenklicher Verbindungen, dann organisatorische Maßnahmen zur Vermeidung von Exposition, dann techn. Maßnahmen gegen Exposition und dann ganz zum Schluss die PSA, wenn es wirklich nicht anders geht. Passt nicht unbedingt fürs Hobbylabor, aber so prinzipiell...

Ich verwende recht häufig Ethylacetat zum Ausschütteln, klappt in meinen Fällen wunderbar. Klappt auch gut mit Diethylether oder Dichlormethan, aber EtOAc ist mir aus der Reihe doch das angenehmste (Bedenklichkeit, Kosten, Peroxide...).

Silika bzw. Silica heißt auf Deutsch übrigens Kieselgel.

Grundsätzlich sind lungengängige Feinstäube bedenklich - das gilt nicht nur für Asbest (siehe Struktur und auch die Krankheit Asbestose), sondern auch z.B. für Holzstäube oder andere Stoffe, die in höheren Partikelgrößen unbedenklich sind. Solange man also die Medikamente nicht lungengängig fein vermahlt und sich die Stäube reinzieht, ist das also unbedenklich. Immer die Mechanismen bedenken, wie etwas wirkt, sonst entstehen nur komische Gerüchte und Verschwörungstheorien - von wegen krebserregendes Kieselgel in vielen Medikamenten oder ähnlicher Humbug  :-[
Bei der Toxizität von Verbindungen muss man auch individuelle Details beachten; wie z.B. n-Hexan vs. n-Heptan. Auch Isomere können unterschiedlich bedenklich sein:
https://de.wikipedia.org/wiki/1-Naphthylamin lecker
https://de.wikipedia.org/wiki/2-Naphthylamin pfui
oder
https://de.wikipedia.org/wiki/Quecksilber(I)-chlorid lecker
https://de.wikipedia.org/wiki/Quecksilber(II)-chlorid pfui
Weitere Beispiele sind die Enantiomere von Thalidomid (OK, Racemisierung in vivo), Naproxen, Ethambutol...