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Autor Thema: Synthese von Cellulosedinitrat (Kollodiumwolle)  (Gelesen 20713 mal)

mbbtchemistry

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Synthese von Cellulosedinitrat (Kollodiumwolle)
« am: 07. Februar 2008, 13:17:52 »
Chemikalien: 15ml konz. (65%) Salpetersäure , 30ml konz. (96%) Schwefelsäure , Cellulose (Wattepads), gesättigte Natriumcarbonat-Lsg.
Laborgeräte: 200ml Becherglas (niedrige Form) , solider Glasstab, Eisbad aus gecrushtem Eis und Natriumchlorid , säurefeste Handschuhe , Thermometer, Tiegelzange aus Edelstahl


Durchführung: In ein im Eisbad befindliches 200ml-Becherglas wird zu 15ml konz. Salpetersäure langsam 30ml konz. Schwefelsäure zugegeben. Die Reaktion zur Nitriersäure verläuft stark exotherm und sollte mit einem Thermometer überwacht werden. Die Temperatur sollte 25-30°C nicht übersteigen, da sonst giftige, nitrose Gase entstehen. Anschließend lässt man die Säure auf 0-5°C abkühlen und gibt schließlich 2g Cellulose in kleinen Flocken hinein. Hierbei steigt die Temperatur ebenfalls an, deshalb auch hier die Flocken langsam zugeben. Nach der Zugabe wird die Cellulose für 10min in der Säure belassen, unter gelegentlichem Durchkneten und Umrühren (Glasstab) [alle 2min haben sich als sinnvoll erwiesen].
Nun wird mit der Tiegelzange das entstandene Cellulosedinitrat unter fließendem Wasser gewaschen , für eine gesicherte Säurefreiheit in die Natriumcarbonat-Lsg. getaucht und nochmals gut mit Wasser gewaschen.

Die zerzupfte Kollodiumwolle wird nahe einer warmen Heizung einen Tag bis zur Massenkonstanz getrocknet.Wegen des zu geringen Stickstoffgehaltes unterliegt sie nicht dem Sprengstoffgesetzt, muss jedoch mit F+ (hochentzündlich) gekennzeichnet werden und wird bis zur Verwendung (wenn nicht sofort) in destilliertem Wasser aufbewahrt. Die Flocken verbrennen/verpuffen unter orangener Flammenerscheinung ohne größere Rückstände zu hinterlassen. Die Kollodiumwolle kann zu Celluloid weiterverarbeitet werden.




Die Angaben wurden experimentell nachgeprüft und sind absolut verlässlich. Haftung wird natürlich nicht übernommen.



Mit freundlichen Grüßen ,
                              mbbtchemistry
                 
« Letzte Änderung: 07. Februar 2008, 23:25:38 von mbbtchemistry »
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Mephisto

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Re: Synthese von Cellulosedinitrat (Kollodiumwolle)
« Antwort #1 am: 07. Februar 2008, 17:06:04 »
Schön!

Als Quellennachweis könnte "F. R. Kreißl, O. Krätz, Feuer und Flamme, Schall und Rauch, Wiley-VCH 1999, S.114-116" angegeben werden. Dort wird zwar mit rauchender Salpetersäure gearbeitet, aber bereits 65%-ige Salpetersäure reicht aus, um ein Produkt zu liefern, das rückstandslos verbrennt.

Wichtig zu erwähnen ist noch, dass möglichst 100% reine Cellulose verwendet wird. Besonders bei der Verwendung von Garn können Additive im Garn zu einem leichten Durchgehen der Nitrierungs-Reaktion führen. Strickgarn aus 100% Baumwolle eignet sich hingegen gut, um durch Nitrierung Zündschnüre zu erhalten.

Um die Stabilität des Cellulosedinitrats zu erhöhen, sollte man es einige Zeit in Natriumcarbonat- oder Natriumhydrogencarbonat-Lösung (1 molar) legen und mehrmals auswaschen. Schlecht gewaschene Kollodiumwolle wird schnell gelb bei der Lagerung.

Wegen des zu geringen Stickstoffgehaltes unterliegt sie nicht dem Sprengstoffgesetzt,...
Kannst Du das mit einem Gesetzestext belegen? In Anlage III Explosivstoffliste nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 steht nur "Nitrozellulose" aufgeführt.

PS: Ich habe den Thread nach Organische Chemie verschoben, da es sich bei der Nitrierung von Wattepads nicht um eine Synthese eines chemisch reinen Produkts im engeren Sinn handelt; ähnlich wie die Darstellung von Kupferseide.
« Letzte Änderung: 08. Februar 2008, 22:21:31 von Mephisto »
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mbbtchemistry

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Re: Synthese von Cellulosedinitrat (Kollodiumwolle)
« Antwort #2 am: 07. Februar 2008, 23:33:22 »
Zur Reinheit der Cellulose: Ich habe extra Wattepads geschrieben und nichts anderes, da diese Kosmetikpads einheitlich zu 100% aus reiner Cellulose bestehen und keinerlei Additive enthalten. Dadurch läuft die Reaktion in gesicherter Weise so ab wie sie soll.

Zu der Sache mit dem Sprengstoffgesetz:
Zellulosenitrat unterliegt dem deutschen Sprengstoffgesetz. Hochnitrierte Schießbaumwolle kann bei Schlag, statischer Entladung und schnellem Erhitzen detonieren.

Bei der Einstufung zur Gefahrstoffkennzeichnung gemäß RL 67/548/EWG, wird in Anhang 1 unterschieden zwischen den beiden Nitrierungsstufen „enthält bis 12,6 % Stickstoff“ (leichtentzündlich) und „enthält mehr als 12,6 % Stickstoff“ (explosionsgefährlich); Details zu den jeweils zugehörigen R-/S-Sätzen siehe Tabelle.    [aus Wikipedia]

Zudem wird Kollodiumwolle frei verkauft (da kein Sprengstoff), Schießbaumwolle (Cellulosetrinitrat) jedoch nicht.



Mfg-mbbtchemistry
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Re: Synthese von Cellulosedinitrat (Kollodiumwolle)
« Antwort #3 am: 08. Februar 2008, 07:38:46 »
mbbtchemistry, man kann so pauschal nicht sagen, dass Watte-Pads keine Additive enthalten. Das mag für manche zutreffend sein, aber es lässt hier keine Aussage über das Verhalten aller Hersteller der Pads machen, die ja hineintun können, was sie möchten.

Eine kurze Web-Recherche dazu ergab:
Zitat
Zur Erzielung bzw. Förderung bestimmter Effekte können die Wattepads mit besonders geeigneten Additiven versehen sein, beispielsweise mit Lösungsmitteln für Schminke, mit entzündungshemmenden und/oder blutstillenden Substanzen oder dergleichen.
Ich würde deshalb auf den Rat von Mephisto achten, nur solche Produkte zu verwenden, die sicherlich aus 100%-iger Baumwolle bestehen.
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Hyperion

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Re: Synthese von Cellulosedinitrat (Kollodiumwolle)
« Antwort #4 am: 08. Februar 2008, 19:07:42 »
Ansonsten, wie schon erwaehnt, waere es auch interessant NC direkt aus ausgefaellter Cellulose herzustellen, es sollte andere (Brenn-, Nitrierungs-) Eigenschaften als zB Baumwollpads/Faeden haben.
  Siehe Kupferseide dazu. Falls Zweifel in Bezug auf die Reinheit der Cellulose bestehen, koennte dies auch einen eleganten chemischen Reinigungsweg der C. darstellen.

Auf der anderen Seite hoerte ich auch schon von den Vorteilen mikrokrystalliner Cellulose, welche durch hohe Dichte, Loeslichkeit in H2O (das unnitrierte Ausgangsprodukt) und bessere Nitrierbarkeit sich hervorhebt:
Es ist ungefaehr so loeslich wie Staerke, und ist chemisch gesehen Alpha-Cellulose mit 1-4 glycosidischen Bindungen. Es hat thixotropische Eigenschaften, ist unverdaulich, und wird daher auch als Nahrungsmittelzugabe verwendet, sollte von daher in gewissen Geschaeften erhaeltlich sein.
Technisch wird es durch Kochen von einem Alpha-Cellulose Brei in HCl hergestellt,  siehe dies (Englisch), das Ziel ist, amorphe Regionen zu entfernen, und lange Polymerketten in kurze micro-crystalline zu zerstueckeln.
« Letzte Änderung: 08. Februar 2008, 19:09:21 von Hyperion »

mbbtchemistry

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Re: Synthese von Cellulosedinitrat (Kollodiumwolle)
« Antwort #5 am: 09. Februar 2008, 14:59:07 »
Aber wie Mephisto bereits angemerkt hat: es ist sowieso kein sonderlich einheitliches Produkt , sodern ein gewisser Anteil wird unnitriert bleiben oder nur teilweise nitriert. Da die Kollodiumwolle außerdem für keine weiteren organischen Synthesen mehr verwendert wird , sodern lediglich zum Abbrand oder zur Verarbeitung zu Celluloid , ist es völlig egal , ob die Watte kleinste Spuren von Additiven enthält (würden eh in Lösung gehen und bei der Reinigung beseitigt werden). Mir sind zumindest bei verschiedensten Herstellern keine Pads untergekommen , auf denen nicht gestanden hätte aus 100% Cellulose. Also jetzt bitte nicht zu penibel werden- das macht einen ja ganz wahnsinnig. Additive hin oder her -ich verweise auf mein Forums-Zitat^^.


Mfg-mbbtchemistry


Die Celluloid-Darstellung wird gleich noch eingestellt!
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Re: Synthese von Cellulosedinitrat (Kollodiumwolle)
« Antwort #6 am: 09. Februar 2008, 15:24:09 »
Dass man, vor allem was die Erklärung der stattfindenden chemischen Vorgänge betrifft, niemals absolute Gewissheit haben wird, ist klar. Wie du aber vielleicht weißt, versucht man bei wissenschaftlichem Arbeiten dennoch, möglichst exakt vorzugehen. So haben wir es bei LambdaSyn von Anfang an gemacht, und so werden wir es auch weiterhin beibehalten, damit die Qualität unserer Synthesevorschriften denen aus der Fachliteratur möglichst in nichts nachsteht. Das dient nur dem Interesse aller Leser, weil damit Erfolg und Reinheit des Produkts bei Einhaltung der Vorschrift gesichert sind. Auf Fehler und mögliche Problemquellen in Beiträgen hinzuweisen (auch wenn diese nicht unter den fertigen Vorschriften einsortiert sind) hat deshalb auch nichts mit Pingeligkeit zu tun.

Verstehe mich nicht falsch, wir wissen es zu schätzen, dass du dich an der Vergrößerung unserer Synthesesammlung beteiligen willst. Aber die Rahmenbedingungen dafür geben wir vor.
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Phil

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Re: Synthese von Cellulosedinitrat (Kollodiumwolle)
« Antwort #7 am: 02. November 2008, 19:38:34 »
Ein Tampon besteht aus reiner Baumwolle, und kann zum nitrieren verwendet werden, ja logisch einen neuen verwenden und nicht ein gebrauchten.
Nicht die Gewalt einiger weniger ist gefährlich, sondern das Schweigen der Masse.
Wer suchet der findet. Wer drauftritt, verschwindet. Alte Mienenregel.
Heute ist nicht alle Tage ich komm wieder keine Frage.
Die Indianer konnten die Einwanderung nicht stoppen, darum leben Sie heute in Reservaten.

Macky

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Re: Synthese von Cellulosedinitrat (Kollodiumwolle)
« Antwort #8 am: 07. November 2008, 16:39:53 »
Stimmt @Phil, nehme ich auch.

Mit 65% HNO3 ist keine hochnitrierte möglich wie manche zu glauben scheinen. Bei 20°C solltet ihr die Watte unter ein paar Mal umrühren (umlagern) 1 Stunde nitrieren lassen, dabei entshen schon ordentlich Produkte die teilweise unter Verpuffung abbrennen (grössere Mengen, halbe Faustgrösse in etwa).

Richtig hochnitrierte wird mit ca 85%iger HNO gemacht, ja ist wirklich so, keinesfalls 95% oder gar 99%ige nehmen!
Danach schön auswaschen und ca 2 Stunden kochen, mit normalen Wasser mit Wasserwechsel.
Dadurch kann mans gut ne Weile aufbewahren, auch trocken, ich habs gemacht. da stank nix, da änderte sich nix.

Prüfen könnt ihr eure NC mit einem 3:1 Gemisch Ether/Alkohol, darin löst sich nur die Kollodiumwolle 12,5%N. Bei der 65%igen ist aber auch schon ein Teil hochnitrierte bei.
Und ja, die unter Kollodiumwolle fallende NC ist ja auch frei verkäuflich, der Mist taugt nur für Klebstoff.
Ich hatte mal zur Probe was bei Egun gekauft, dass ist der letzte Dreck. Vorallem Preist der Spinner das als Flocken an, ist aber nach dem trocknen ein feines Pulver was nicht schneller brennt als ein Stück Papier (bisschen übertrieben gesagt). Da beschwerte ich mich und schickte den eine Tüte wieder zurück, nahm er auch an.
Das nur Mal nebenbei.
Wer früher stirbt, ist länger tot.

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Re: Synthese von Cellulosedinitrat (Kollodiumwolle)
« Antwort #9 am: 07. November 2008, 18:12:30 »
Zitat
Durchführung: In ein im Eisbad befindliches 200ml-Becherglas wird zu 15ml konz. Salpetersäure langsam 30ml konz. Schwefelsäure zugegeben. Die Reaktion zur Nitriersäure verläuft stark exotherm und sollte mit einem Thermometer überwacht werden. Die Temperatur sollte 25-30°C nicht übersteigen, da sonst giftige, nitrose Gase entstehen.
was haben immer nur alle mit ihren gekühlen nitriersäuren?
die beiden säuren mischt man einfach und kühlt es danach ab, ob das ganze nun danach 30, 40 oder 60°C hat spielt keine rolle und es entstehen keine nitrose gase!
diese waren dann schon vorher in der HNO3 oder H2SO4 und werden durch die hohe temp. leichter freigesetzt (was zweckdienlich ist, da sie ein durchgehen der späteren reaktion fördern würden)
es ist auch keine "reaktion zur nitriersäure" - es ist einfach ein physikalisches mischen, auch wenn selbstverständlich in dem moment protonierungen stattfinden
Zitat
Anschließend lässt man die Säure auf 0-5°C abkühlen und gibt schließlich 2g Cellulose in kleinen Flocken hinein. Hierbei steigt die Temperatur ebenfalls an, deshalb auch hier die Flocken langsam zugeben. Nach der Zugabe wird die Cellulose für 10min in der Säure belassen, unter gelegentlichem Durchkneten und Umrühren (Glasstab) [alle 2min haben sich als sinnvoll erwiesen].
raumtemp. reicht aus, eine kühlung ist nur bei größeren mengen (>5g) bei der zugabe nötig
für 45ml nitriersäure sollte man auch 4,5g watte verwenden, sonst ist es doch nur verschwendung von chemikalien...
10min reaktionszeit sind wirklich sehr wenig - zwar wird ein niedrignitriertes produkt gewollt, aber dagegen steht wiederrum der säureüberschuss --> also lieber mehr watte
evtl. sollte man auch mit einer wasserhaltigeren säure arbeiten, wenn man wirklich nur das dinitrat haben will

ich denke am besten kann man sowas machen, indem man die watte in die säure taucht und anschließend gut auspresst
die noch anhaftende säure reicht für eine nitrierung aus
so kommt man auch (weit?) über 1g/10ml


Zitat
Mit 65% HNO3 ist keine hochnitrierte möglich
und dann:
Zitat
Bei der 65%igen ist aber auch schon ein Teil hochnitrierte bei.
die logik versteh mal einer  :-P

Zitat
keinesfalls 95% oder gar 99%ige nehmen!
was spricht denn dagegen?
so habe ich schon ein paar mal kleinere mengen hergestellt ohne probleme
einmal sogar unter verwendung von P2O5 statt H2SO4 - um absolut hochnitrierte NC zu erhalten
der unterschied zwischen nitriersäure aus H2SO4 bzw. P2O5 und 100% HNO3 ist im produkt aber nicht merklich...
man könnte sicherlich einen höheren (je nach bedingungen sogar fast maximalen) stickstoffgehalt messen, aber der unterschied ist wirklich nicht sichtbar beim abbrennen