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Autor Thema: Kupferseide - Kupferviskose - Schweizers Reagenz  (Gelesen 17017 mal)

Hyperion

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Kupferseide - Kupferviskose - Schweizers Reagenz
« am: 31. Januar 2008, 04:30:48 »
Cellulose, die haeufigste organische Verbindung auf Planet Erde, kommt in der Natur eher als kurze Faeden vor (siehe Baumwolle) und war oft fuer industrielle Prozesse also solches nicht nuetzlich. Daher wurden seit Jahrhunderten schon Moeglichkeiten gesucht, Cellulose aufzuloesen, um sie als unendlich-Faden wieder zu regenerieren.
Eine solche Moeglichkeit besteht mit Schweizer's Reagenz, welches eine Loesung aus Kupferhydroxid und Ammoniak ist (Kupfertetraamin-hyrdroxid). Dieses loest Cellulose durch Chelat-Bildung/Komplexierung auf, siehe folgende Strukturen:

* struktur_cellulose.gif (3.08 KB . 415x189 - angeschaut 1766 Mal)
Das vierwertig koordinierte Kupfer ersetzt dann die Wasserstoffe an den 2,3 Position der Zellulose, und zerstoert daher die quasi-kristalline Struktur der Cellulose, und bringt sie auf diesem Wege in Loesung:

* struktur_kupferseide.gif (4.89 KB . 447x366 - angeschaut 1987 Mal)

Experimentell

  • Herstellung von Kupferhydroxid: 50 g Kupfersulfat-hydrat werden in 200 ml H2O aufgeloest. Zu diesem wird unter gutem Umruehren eine kuehle Loesung von 16 g NaOH in 200 ml dazugegeben. Kupferhydroxid Cu(OH)2 faellt als himmelblaues Prezipitat aus, welches abgefiltert wird und darauf mit destilliertem Wasser gewaschen wird. Reaktionsgleichung: CuSO4 + 2 NaOH ---> Cu(OH)2 + Na2SO4
  • 140 ml konzentrierter Ammoniak (~25%) wird dann mit dem solidem Hydroxid versetzt, welches sich unter stetigem Umruehren schnell aufloest und eine tief-blaue Loesung formt. Dies ist das Kupfertetraamin-hydroxid (Cu(NH3)4(OH)2)
.
  • Zu diesem wurde dann Baumwollwatte (10-15 g) direkt von der Drogerie dazugeben, und ueber mehrere Stunden unter gutem Umruehren im Schweizers Reagenz aufgeloest. Der chemische Prozess dahinter ist oben gegeben. Die Loesung wurde stark viskos, und trueber, was an der unvollstaendigen Aufloesung der Cellulose liegt. Industrielle Loesungen sind in diesem Zustand klar. Die Stoichiometrie von Cu2+ zu einem Glukose Monomer liegt bei 1:1, die theoretischen loesbaren Mengen koennten anhand dessen ausgerechnet werden. [/i]
    • Diese hoch-viskose Loesung (siehe Bild, dieses Roehrchen liegt auf der Seite und die Loesung breitet sich kaum aus)

      * Kupferseide_viskositaet.jpg (48.34 KB . 973x890 - angeschaut 1407 Mal)
      wird abgefuellt

      * Kupferseide_giessen.jpg (50.96 KB . 734x993 - angeschaut 1341 Mal)
      und in 1-1.5 l 10% Schwefelsaeure (mit einer 50 ml Spritze) als dicker Faden eingespritzt.

      * Kuperseide_inH2SO4_1.jpg (176.53 KB . 1200x1046 - angeschaut 1493 Mal)
      * Kuperseide_inH2SO4_2.jpg (108.53 KB . 946x1220 - angeschaut 1283 Mal)
      Nach einer Weile entfaerbt sich der Faden, er nimmt eine ausserordentliche Konsistenz an. Aussen ist der Faden fast hart, und transparent, wohingegen in dem Faden noch weitere blaue Tetraamin-Cellulose rausgedrueckt werden kann.

      * Kuperseide_inH2SO4_3.jpg (46.04 KB . 766x1074 - angeschaut 1583 Mal)

      Diese klaren Faeden wurden dann rausgenommen, und zum trocknen ausgelegt. Es formten sich harte dicke Cellulosestuecke, welche ganz eindeutig nicht zur Textilienherstellung geeignet waren.  :-P
    Viele Komplex-Reagenzien wurden inzwischen gefunden, welche Cellulose aufloesen:


    * Cellulose_solubility.gif (8.05 KB . 556x263 - angeschaut 1570 Mal)

    Da bleibt noch viel Raum zum Experimentieren! Auch waere es interessant, zB andere poly-Zucker auszuprobieren, zB Staerke, Methylcellulose (nat. muessen Pos 2&3 frei sein), vielleicht sogar polyvinylalkohol?




    Quelle: http://diefoergs.de/Kap3/3.2.html, http://diefoergs.de/start.html - sehr gut & ausfuehrlich, meines Wissens die einzige Seite die die chemischen Aspekte erklaert.
    http://www.woodrow.org/teachers/chemistry/institutes/1986/exp31.html (englisch)

« Letzte Änderung: 03. Februar 2008, 05:56:08 von Hyperion »

Mephisto

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Re: Kupferseide - Schweizer's Reagenz
« Antwort #1 am: 02. Februar 2008, 23:18:08 »
@Hyperion: Klasse! Die Beschreibung gefällt mir sehr gut. Diese Informationen über Kupferseide findet man nicht mal bei Wikipedia.

Als kleiner Junge habe ich auch versucht Kupferseide herzustellen; bei mir fiel die Cellulose aber nur als Flocken anstatt als Faden aus. Schön Jahre später gerade hier zu lesen wie es richtig gemacht wird.

Diese klaren Faeden wurden dann rausgenommen, und zum trocknen ausgelegt. Es formten sich harte dicke Cellulosestuecke, welche ganz eindeutig nicht zur Textilienherstellung geeignet waren.  :-P
Das wär's doch: die Fasern selber herstellen, eine Strickjacke daraus stricken und am besten noch mit selbst hergestellten Farbpigmenten färben. Selbst ist der Chemiker ;-D
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Hyperion

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Re: Kupferseide -Kupferviskose - Schweizer's Reagenz
« Antwort #2 am: 04. Februar 2008, 01:59:29 »
Ja, ich war auch schwer von der verlinkten Seite beeindruckt. Habe ueber die Jahre schon einigemale nach einer Erklaerung fuer Kupferseide gesucht, aber nie chemische Details gefunden. Der Herr Foerg hat diese alte Frage fuer mich beantwortet :)

Was ich oben nicht erwaehnte - echte, industrielle Kupferseide untergeht noch einiger Zusatzschritte bevor sie in Schwefelsaeure ausgesponnen wird (siehe auch hier ):

Die Kupfer-tetraamin Celluloseloesung wird direkt nach Aufloesung der Cellulose mit NaOH umgesetzt, wobei sich ein 4-wertig koordinierendes Kuprat bildet:

* Normannsche-Verbindung.gif (5.42 KB . 483x341 - angeschaut 1394 Mal)
Dieses ist unloeslich, und faellt aus (Blaufilm). Sie wird nach dem Entdecker als Normannsche Verbindung bezeichnet.
Wenn das Prezipitat in dest. Wasser eingelegt wird, loest sich das Natrium in der Loesung, und Cupricellulosat, ein türkisfarbener Film, scheidet sich aus (Grünfilm).

* Cupricellulosat.gif (4.12 KB . 453x286 - angeschaut 1373 Mal)
Dieses wird dann in ein Bad starker Schwefelsaeure gesprueht, und regeneriert, als Cellulosefaden welches eine andere andere Struktur aufweist (H-Bruecken sowohl inter- als auch intramolekular) als natuerliche Cellulose.

* Cellulose_regeneriert.gif (5.59 KB . 580x377 - angeschaut 1311 Mal)

Vielleicht waere das mal ein interessantes Projekt zum ausprobieren, und zum dokumentieren; meines Wissens bestehen keinerlei photographische Dokumentationen sowohl im englischen also auch deutschen Internet.
Auf geht's, neue Members, zeigt euer Potential :P


PS auch waere derartig regenerierte Cellulose fuer die Herstellung von Zellulosenitrat interessant, ich schaetze dass hier die Nitrierungs-effizienz besser sein duerfte im Vergleich zur quasi-kristallinen natuerlichen Cellulose. Zb, wie Mephisto erwaehnt, einfach die Kupfertetraamin Cellulose direkt in H2SO4 giessen, und hart verruehren so dass die Partikel so klein wie moeglich sind.

« Letzte Änderung: 04. Februar 2008, 02:34:24 von Hyperion »

chemifreakeinfallslos

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Fragen zu Kupferseide
« Antwort #3 am: 27. September 2009, 09:57:10 »
Hallo, ich habe 2 Fragen zur Synthese:

- Kann ich auch unkonzentrierte Ammoniaklösung nehmen (durch weniger Ammoniak löst sich wahrscheinlich weniger Cellulose)
- Kann ich am Ende HCl anstatt Schwefelsäure benutzen

Gruß

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Re: Fragen zu Kupferseide
« Antwort #4 am: 27. September 2009, 11:05:46 »
Hey,

wie lautet denn die genaue Vorschrift ?
Das ist zwar ein Schulversuch, aber die genaue Vorgehensweise habe ich trotzdem nicht im Kopf so dass ich dir nicht sagen kann ob man so einfach substituieren kann.

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Re: Fragen zu Kupferseide
« Antwort #5 am: 27. September 2009, 11:55:25 »
Verdünnte Ammoniaklösung geht schonmal, Hauptsache das Kupfersalz ist am Ende vollständig komplexiert. Lösung kann man dann noch zusätzlich eindampfen um die Salzlösung zu konzentrieren. Mit der HCl weiß ich nicht... Wenn du keine H2SO4 bekommst, kauf verdünnte als Akkusäure im Baumarkt (siehe Bezugsquellenthread)
Das Geheimnis des Erfolgs? Anders sein als die anderen, sich nie damit zufriedengeben, daß man zufrieden ist.

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Re: Fragen zu Kupferseide
« Antwort #6 am: 27. September 2009, 12:06:31 »
Man braucht nicht für jede Frage ein neues Thema zu erstellen. Hättest du das zum ursprünglichen Kupferseide-Thema dazugeschrieben hätte auch gleich jeder gewusst, von welcher Vorschrift du sprichst. Einfach ein bisschen mitdenken.

Zusammengeführt mit dem ursprünglichen Kupferseide-Thema.
« Letzte Änderung: 27. September 2009, 12:10:55 von PlanetScience »
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