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Autor Thema: Palladium auf Aktivkohle - Fragen  (Gelesen 12025 mal)

Neslihan

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Palladium auf Aktivkohle - Fragen
« am: 21. November 2015, 15:43:31 »
Hallo,
ich weiß ich stelle viele Fragen, aber ich versuche wirklich vorher mich immer selber schlau zu machen.
Ich habe bisher noch nie mit Pd/C gearbeitet, lese aber oft, dass es meist sehr gute Ausbeuten bringt und man relativ einfach bei Normaldruck arbeiten kann.
Leider ist Pd/C nicht so günstig. ca. 25EUR für 1g (10%)Pd/C. Man braucht wohl oft nicht viel. ca.10%-Gew. vom Edukt, Je nach Verbindung. Man braucht also über den Daumen gepeilt, für 10g Substanz 1g Pd/C.

Nun zu meiner Frage:
Nach der Reaktion wird das Pd/C über einer Filternutsche abfiltriert und der Filterkuchen mit dem Pd/C in einem verschlossenen Gefäß für die nächste Reaktion aufbewahrt.
Man sollte glaube ich das Pd/C im Filter vorher nochmal waschen, aber mit was? Ethanol? Wasser? spielt das eine Rolle? Kann ich beim Filtrieren einen normalen Rundfilter und Büchner verwenden, oder ist das Pd/C zu fein?

Wie oft kann ich das Pd/C was ich nun verwendet und aufbewahrt habe benutzen? Und vorallem wie? Ist eine vorherige "Aktivierung" oder ähnliches notwendig, oder kann ich bei der nächsten Reaktion einfach das benutzte Pd/C in die Reaktion geben und quasi so Handhaben wie unbenutztes, neues Pd/C? Und wie oft kann ich das Wiederholen?

Irgendwann verliert es mit Sicherheit seine Aktivität. Schmeißt man es dann Weg, oder aktiviert man es irgendwie? Habe von zwei verschiedene Möglichkeiten zum Aktivieren gelesen.
Zum einen, das Pd/C eine Weile in NaOH-Lösung waschen, filtrieren und es ist aktiviert, wie neu und kann erneut benutzt werden.
Zum anderen wird aus dem Pd/C das Pd zu PdCl2 durch Säurezugabe und das PdCl2 wird dann irgendwie auf frische Aktivkohle so eingearbeitet, dass man am Ende wieder Pd/C herstellt quasi. Wesentlich komplizierter.

Was ich eigentlich wissen will, ist, ob Pd/C mit der Zeit verbraucht wird und ich eigentlich immer wieder neues kaufen muss, oder ob ich mir Einmalig einen Vorrat von zb. 10g Pd/C sichern kann, den ich eigentlich immer wieder verwenden kann, wenn ich ihn aufarbeite. Minimale Verluste beim filtrieren etc. ausgenommen. Das zweitere fände ich besser :) und es wäre auch logischer, da man ja von einem Katalysator spricht. und Der geht ja bekanntlich unverändert aus einer Reaktion wieder hervor.

Phil

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Re: Palladium auf Aktivkohle - Fragen
« Antwort #1 am: 21. November 2015, 18:55:12 »
Die Katalysatoren werden  mit der Zeit unwirksam, sie werden dann in der Regel zu der Firma EVONIK in Hanau gesendet, sie werden dort zu rückgewonnen. Palladium ist ja auch sehr teuer.
Die Metalle sind nur desshalb auf der Kohle weil, es weniger braucht an Metall, die Oberfläche gross ist und das Regenerieren relativ einfach ist. Die Kohle wird verbrannt wie in einem Hochofen und die Metalle werden ab destilliert. So werden dann zugleich die Verunreinigungen in der Kohle, z.B. Medikamente, Agrochemie usw. Entsorgt.
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synthon

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Re: Palladium auf Aktivkohle - Fragen
« Antwort #2 am: 21. November 2015, 19:10:17 »
Man kann Katalysatoren wieder abfiltrieren oder anderweitig zurückgewinnen. Das ist primär mal eine wirtschaftliche Frage.

Zitat
Ich habe bisher noch nie mit Pd/C gearbeitet, lese aber oft, dass es meist sehr gute Ausbeuten bringt und man relativ einfach bei Normaldruck arbeiten kann.
Mit derart pauschalen Aussagen wäre ich vorsichtig. Um welche Reaktionen geht es konkret?

Zitat
und es wäre auch logischer, da man ja von einem Katalysator spricht. und Der geht ja bekanntlich unverändert aus einer Reaktion wieder hervor.
Vorsicht mit Theorie und Praxis. Papier ist geduldig. Es wird immer zu Teilverlusten, Kontamination und anderen Effekten kommen, die dazu führen, dass ein Katalysator eben nicht ganz so gut zurück gewinnbar ist. Aufgrund der großen Oberfläche werden gewisse Substanzen auch an Kohle adsorbiert, da hat Phil ja schon etwas dazu geschrieben.

Zum Thema:
http://www.dexlechem.com/tl_files/downloads/Pressetext_ForumNachhaltigWirtschaften-2012_0612.pdf


Neslihan

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Re: Palladium auf Aktivkohle - Fragen
« Antwort #3 am: 22. November 2015, 01:56:38 »
Hmm...Um es konkret an einem Beispiel festzumachen habe ich folgendes gefunden:
http://www.google.com/patents/US4792625

Hier die entsprechende Seite. Unten links.
http://patentimages.storage.googleapis.com/pages/US4792625-3.png

Example 1:

0,05mol of Nitrotoluene are dissolved in 25ml toluene and to this solution is added 0,3 grs of 10% Palladium on carbon (50% paste) and a solution containing 0,15 mol potassium formate and 0,400 mol water. The mixture is stirred rapidly and heated to 70°C. After one hour of reaction the mixture is filtered and phase seperated. The organic phase is washed with water (3x50ml), the extract dried over MgSO4 and the solvent is removed by distillation to give 0,045 mol of 2-aminotoluene (90% yield).

90% kann sich sehen lassen finde ich. Einfach, Sauber, Schnell.

0,05mol sind ca 6,9g Nitrotoluol. Ich benötige dafür 0,3g Pd/C. Meine Ausbeute liegt bei 4,8g 2-Aminotoluol.
Reaktion beendet, die 0,3g Pd/C abfiltriert, mit etwas Wasser nachgewaschen und in einem schnappdeckelglas gesammelt.

Wenn ich nächstes Mal die Reaktion wiederholen will, kann ich diese 0,3g Pd/C direkt so wie sie ist einfach nochmal verwenden ohne vorher irgendwie aufzuarbeiten?
Wenn ja, vermute ich, dass wie gesagt wurde bei jedem mal die Aktivität und somit die Ausbeute sinkt. Zum Beispiel 90%, 80%, 70%. Aber wie oft kann ich das wiederholen bis die Ausbeute auf sagen wir 50% gesunken ist? 3x, 5x, 10x? Das möchte ich wissen.

Und zum anderen möchte ich Wissen, was man macht, wenn man das Pd/C nun wirklich einige Male verwendet hat und die Aktivität so gesunken ist, dass die Ausbeute auf sagen wir 30% gesunken ist?
Kann ich das irgendwie aufarbeiten, sodass die Aktivität wieder gegeben ist, und ich sie erneut verwenden kann, oder sollte ich es entsorgen und mir wieder neues, frisches Pd/C kaufen und verwenden?
Falls ich es irgendwie Aufarbeiten kann, wie mache ich das am besten? Und ja, mir ist durchaus Bewusst, dass es zu Verlusten kommem kann, ob beim Filtrieren, oder wie auch immer. ich erwarte nicht, wieder exakte 0,3g Pd/C jedesmal rauszuholen.

Die Fragen würden mich interessieren, deswegen habe ich es versucht mit diesem Beispiel noch einmal zu verdeutlichen, worum es mir bei der Frage geht.
Wenn ich nach ein paar Gramm, mir immer wieder neues Pd/C kaufen muss, dann ist mir das für mein hobby irgendwann doch zu kostspielig.
Wenn ich aber einmal investiere, 1g Pd/C kaufe und damit ca. 200-300g Nitrotoluol reduzieren kann, ohne mir in nächster Zeit Gedanken machen zu müssen mir mal wieder neues zu kaufen, würde sich die Investition glaube ich echt Lohnen.

synthon

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Re: Palladium auf Aktivkohle - Fragen
« Antwort #4 am: 22. November 2015, 21:44:01 »
Zitat
90% kann sich sehen lassen finde ich. Einfach, Sauber, Schnell.
Patente und Literaturvorschriften sind immer so eine Sache. Kenne auch ein paar Patente, bei denen fast quantitative Ausbeuten versprochen wurden, die man aber so einfach nicht erreicht. Paper sind schon besser... der eigentliche Zweck von Patenten ist ja, eine Erfindung zu schützen. Deswegen beschreibt man die Dinge so wenig wie möglich und nur so genau wie nötig. Also: erst mal nachkochen und dann weiterschauen.
Zitat
wie oft kann ich das wiederholen bis die Ausbeute auf sagen wir 50% gesunken ist? 3x, 5x, 10x? Das möchte ich wissen.
Das kann dir so niemand sagen. Du kannst das vermutlich empirisch ermitteln, wobei die Ermittlung der Aktivität von Katalysatoren auch nicht gerade mal eben so gemacht wird. Wenn die Ausbeuten im Vergleich zu vorher exakt reproduzierten Synthesen sinken, wird es wohl der Kat sein...
Zitat
Und zum anderen möchte ich Wissen, was man macht, wenn man das Pd/C nun wirklich einige Male verwendet hat und die Aktivität so gesunken ist, dass die Ausbeute auf sagen wir 30% gesunken ist?
Je nach Reaktionsmischung kann es auch sehr schwierig sein, den Kat wieder rauszuholen. Gerade wenn mal eine Reaktion nicht funktioniert und du nur Schmodder im Kolben hast, kann es sein, dass auch der Kat verloren ist. Auch darauf muss man sich einstellen. Glaube nicht, dass sich der Aufwand lohnt, das Pd abzutrennen und neu auf C aufzuziehen.
Zitat
Wenn ich nach ein paar Gramm, mir immer wieder neues Pd/C kaufen muss, dann ist mir das für mein hobby irgendwann doch zu kostspielig. Wenn ich aber einmal investiere, 1g Pd/C kaufe und damit ca. 200-300g Nitrotoluol reduzieren kann, ohne mir in nächster Zeit Gedanken machen zu müssen mir mal wieder neues zu kaufen, würde sich die Investition glaube ich echt Lohnen.
Ich denke, du kannst den Kat, sofern du ihn sauber abfiltrieren kannst schon noch einige Male verwenden. Andererseits: was willst du mit Reaktionen im Maßstab mehrerer hundert Gramm? Sind Toluidine so toll? Methaqualon? ;)

Bei eBay gibts da einen Händler, der neben Pd/C auch andere spannende Edukte verkauft:
http://myworld.ebay.de/14science23/
3,4,5-Trimethoxy... ist natürlich spannend xD
« Letzte Änderung: 22. November 2015, 21:50:34 von synthon »

Neslihan

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Re: Palladium auf Aktivkohle - Fragen
« Antwort #5 am: 23. November 2015, 02:14:12 »
Hey, Prima. Echt auf jede Frage eingegangen, Top. Jetzt weiß ich aufjedenfall bescheid. Danke!  :-)

Achsoo. Und ich hab mich immer tierisch geärgert, wenn ne Reaktion selbst nach dem 5. Versuch immernoch nicht so wie in nem Patent funktioniert hat. Jetzt weiß ich zumindest, dass es nicht NUR an mir liegt :D
Stimmt schon, und im mg Bereich alles rauszubekommen, kann man wohl eh knicken. Ok, also nehm ich mir als Info raus, dass man es mehr als nur einmal verwenden kann, aber wenns dann hin ist, dann ist es halt hin!

Das war jetzt nur beispielhaft auf das Patent übertragen. Wusste bis heute noch so gut wie gar nichts über Pd/C und war neugierig, weil es den Anschein gemacht hat, dass es quasi "die Geheimwaffe" ist, mit lauter Vorteilen und kaum Nachteilen, bis auf den Preis. Aber jede Medaille hat halt zwei Seiten wie es aussieht.

Hey, das war doch das Zeug aus dem Film "The Wolf of Wallstreet" oder? "Qualuuds" oder so.

Pd/C gibts bei ebay?? Da sollte ich mal öfter etwas stöbern. Danke!
Na dass ist ja mal ein Zufall, dass die schon fast im Doppelpack verkauft werden.
Wenn da 100g eines Aldehyds den Leuten 157Euro wert ist, dann muss es sich ja echt Lohnen :)

Spricht denn eigentlich was dagegen, seine Produkte bei ebay als Privat reinzustellen?
Sofern es kein verbotener Stoff ist und man keine ganzen Kilos anbietet, klingts doch ok. bei dem 3,4,5-Trimethoxy steht ja auch "Ich löse mein Hobbylabor auf" und "Nicht löschen, kein verbotener Stoff".
Ist man damit schon auf der Sicheren Seite?
Hab gerade noch ein bisschen auf ebay rumgeklickt und bin auf 3-Brompyridin gestoßen. 50g für 67,99 Euro ist ein beachtlicher Preis. Gibt sicher noch viel teurere.
Wenn man sich was gutes raussucht, was man auch relativ einfach und günstig synthetisiert bekommt, kann man doch sicher mal da 50g von verkaufen, wenn einem mal wieder ne Destillierbrücke kaputt geht,
weil man so ein Tollpatsch ist, wie ich :D

synthon

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Re: Palladium auf Aktivkohle - Fragen
« Antwort #6 am: 23. November 2015, 21:52:20 »
Zum Thema Methaqualon:
https://erowid.org/chemicals/methaqualone/methaqualone_basics.shtml
http://www.drugs.com/quaaludes.html

Patente sind nen ziemlicher Krampf. Vielleicht bekommst du über eine Uni-Bib Zugang zu wissenschaftlichen Datenbanken. Methoden aus Papern (wissenschaftliche Publikationen) sind deutlich zuverlässiger. Hier nicht nur auf die Paper achten, sondern auch die SI (supporting information) lesen. Der Experimental-Teil ist relevant.

Pd/C ist einer von vielen Katalysatoren. Kann gut sein, muss aber auch nicht. Das kommt immer auf die Reaktion an. Palladiumacetat, Triphenylphosphin-Derivate und viele andere Verbindungen können auch katalytisch wirksam sein. Je nach Reaktion ist die Bildung reaktiver Intermediate auch sinnvoll, um Ausbeuten zu steigern und auch sonst gibt es tolle Konzepte, um Reaktionen zu fahren: EDC (Aktivester)/DMAP (Acetyltransfer-Reagenz) zur Veresterung, NHS-Ester, Merrifield-Peptipsynthese, Oxidationen mit TPAP/NMO und viele andere Dinge... leider fällt mir heute Abend spontan nicht allzu viel ein. Organische Chemie ist wahnsinnig faszinierend. Es lohnt sich, interessante Moleküle mal bei SciFinder zu zeichnen und sich durch die Ergebnisse zu wühlen... wenn man da nicht ran kommt, lässt einen vielleicht mal ein Student an einem OC-Institut oder die Uni-Bib an einen Rechner. Aber ich schweife ab...

Zum Thema Katalysatoren und auch sonst viele applikationsnahe Informationen gibt es z.B. bei Firmen wie Sigma oder TCI:
http://www.sigmaaldrich.com/chemistry/chemistry-products.html?TablePage=16247968
http://www.sigmaaldrich.com/catalog/search?term=catalyst&interface=All&N=0&mode=mode%20matchpartialmax&lang=de&region=DE&focus=product
http://www.tcichemicals.com/de/de/support-download/article/index.html
2 Wochen im Labor ersparen einem einen Tag Literaturrecherche ;)

Muss bei dem eBay-Verkäufer aber auch ein spannendes Hobbylabor sein - Grundstrukturen psychoaktiver Stoffe und Hydrier-Katalysatoren. Aber gut, verboten ist es nicht und bei eBay werden teilweise die tollsten Sachen verkauft. Wenn wir jetzt schon off-topic sind, hier noch zwei spannende Geschichten aus vergangenen Tagen:
Imhausen Chemie - zuerst Giftgas, dann Ecstasy im Industriemaßstab:
https://de.wikipedia.org/wiki/Imhausen-Chemie
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13501510.html
LSD aus Heidelberg:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43078761.html

Firmen wie Neubert Glas kennst du? Die sind wohl recht günstig. Ist leider schon ein kostspieliges Hobby. Kann man sehr gut zum Beruf machen, dann muss man das Zeug nicht mehr privat kaufen. Arbeit in einem organisch-präparativen Forschungslabor. Kann ich nur empfehlen.

Vielleicht für dich interessant:
Organic Synthesis with Palladium Compounds (Reactivity and Structure: Concepts in Organic Chemistry) von Jiro Tsuji
Kurzlink: http://www.amazon.de/dp/3540097678
Ist schon etwas älter, aber für 2-3 EUR kann man eigentlich nicht so viel falsch machen, denke ich. Und Synthesevorschriften aus der Zeit 1960 bis 2000 halte ich eigentlich für recht solide.

Neslihan

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Re: Palladium auf Aktivkohle - Fragen
« Antwort #7 am: 25. November 2015, 11:25:40 »
Hi,
vielen Dank für die ausführlichen Infos. Ich habe mich zu allen Punkten informiert und mich eingelesen. Hab nur gerade nicht die Zeit alles zu kommentieren.  ::-)
Zugang zu wissenschaftlichen Papern habe ich. Die meisten ACS Journals sind für mich zugänglich.
Daher habe ich wieder ein wenig gestöbert und bin bei einem Paper hängengeblieben, dass sogar sehr gut zu dem oben genannten Beispiel mit dem Nitrotoluol passt. Hier wird die Kombination aus NaBH4 und NiCl2 verwendet um u.a. das Nitrotoluol zum primären Amin zu reduzieren. Unter den richtigen Bedingungen scheint es ähnlich gute Ausbeuten zu geben.
Wäre das denn nicht eine Alternative zu dem Pd/C? Soweit ich weiß, reduziert NaBH4 alleine Doppelbindungen, aber keine Nitrogruppen. Nur durch Zugabe von NiCl2, können also auch Nitrogruppen plötzlich reduziert werden?
Was ich jedoch nicht ganz verstanden habe, ist die unterscheidung zwischen NaBH4-NiCl2 und NaBH4-Ni2B.
In der ersten Tabelle beim Nitrotoluol wird beim ersten Versuch 1/100 eq Mol Ni2B und 5 eq Mol Nabh4 eingesetzt.
Im vorletzten wird 1/00 eq Mol NiCl2 und 4 eq Mol NaBH4 eingesetzt. Wieso macht das einen unterschied?
Es wird auf Seite 4, gleich Nach dem ersten Absatz ja gesagt, dass das Ni2B aus der Reaktion zwischen NaBH4 und NiCl2 hergestellt wird.
Wenn also in der 1. Tabelle beim vorletzten Versuch zu Nitrotoluol 1/100 eq Mol NiCl2 und 4 eq Mol NaBH4 eingesetzt wird, entsteht doch das Ni2B in der Reaktion in situ oder nicht? Wäre es dann nicht auch eine Reduktion durch NaBH4-Ni2B (von mir aus noch vllt ein kleiner Rest NiCl2, sofern es nicht zu 100% zu Ni2B umgesetzt wurde).
Alles so unglaublich vielfältig. Da bekommt das Sprichwort: "Viele Wege führen nach Rom", echt Bedeutung finde ich  :-) Und genau dass macht OC für mich so unglaublich interessant! =)

Hier noch das Paper:


synthon

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Re: Palladium auf Aktivkohle - Fragen
« Antwort #8 am: 25. November 2015, 20:29:23 »
Natriumborhydrid ist ja ein Klassiker. Zur Nickel-Chemie kann ich nicht viel sagen, das hatte ich bisher noch nicht. Womit man auch nett Reduktionen fahren kann:
https://de.wikipedia.org/wiki/Red-Al
http://www.sigmaaldrich.com/catalog/product/aldrich/196193?lang=de&region=DE

Es gibt auch die Béchamp-Reduktion mit Eisen/Salzsäure, vielleicht ist die was für dich:
https://en.wikipedia.org/wiki/Bechamp_reduction
Das war als Laborant mein Prüfungspräparat... Reduktion eines Nitro-Aromaten zum entsprechenden Amino-Aromaten.

Heuteufel

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Re: Palladium auf Aktivkohle - Fragen
« Antwort #9 am: 28. November 2015, 21:58:08 »
Diese Nickel-Chemie ist sehr kompliziert... ich kann mich erinnern, dass mal jemand an der Uni ein als Thiodiazol geschütztes Diamin mit dieser Reaktion mit Nickel (kann auch sein, dass es Co war) entschützen wollte. Für alle die diese Reaktion nicht kennen:

* thiodiazol.png (3.76 KB . 382x118 - angeschaut 1338 Mal)
Das Ende der Geschichte war ein lustig gefärbtes Reaktionsgemisch und ein Umsatz von 0 %. LAH hat die Schutzgruppe in guter Ausbeute entfernt. Das heißt jetzt nicht, dass diese Reduktionen mit Nickelsalzen und NaBH4 nichts taugen, aber sowas ermutigt auch nicht unbedingt. LAH oder nur NaBH4 liefern übrigens laut Literatur die Azoverbindung. Außerdem ist NaBH4 auch nicht ganz billig und das scheint dem Threadersteller ja ein Anliegen zu sein.

Es gibt wirklich viele Reaktionen zur Reduktion. Statt Eisen ist auch Zinn für die Reaktion gut: http://www.lambdasyn.org/synfiles/anilin.htm ...gibt weniger Schweinerei.
Ganz nett finde ich auch Pd/C und Hydrazin: http://www.orgsyn.org/demo.aspx?prep=CV5P0030 (Org. Synth. 1960, 40, 5). Ich persönlich würde vermutlich damit mal einen kleinen Testansatz fahren. Oder halt der Klassiker H2 und am Besten unter Druck. Das klappt immer und ist sehr sauber. Versuch macht klug. Und wer nicht bereit ist Sachen zu versuchen als Chemiker soll es doch besser ganz sein lassen.  ;-)
« Letzte Änderung: 28. November 2015, 22:05:04 von Heuteufel »
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Neslihan

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Re: Palladium auf Aktivkohle - Fragen
« Antwort #10 am: 01. Dezember 2015, 16:15:41 »
Ja ich finde die Chemie des Nickels auch echt komplex. Hatte die Reduktion einmal mit Urushibara Nickel probiert gehabt. Kam aber nichts gescheites bei raus.

Ich habe schon einige synthesen hinter mir. Auch viele hier aus dem Forum. Aber mit der Zeit sind Nitroverbindungen zu meinen Lieblingen geworden :D
Deswegen, sehr schönes Prüfungsthema "Nitro- zu Aminoderivat"  [daumenhoch] Man hat dabei so viele verschiedene Möglichkeiten vorzugehen einfach.

NaBH4 kostet etwas mehr, das stimmt, aber man braucht nicht wirklich viel davon, daher finde ich es total okay. Arbeite gern damit. Nur dass es allein, keine Nitrogruppe, sondern Doppelbindungen reduziert.
Eine Kombination NaBH4 mit NiCl2 oder ähnlichem habe ich aber noch gar nicht probiert. Müsste ich mal bei Gelegenheit tun.

Was bisher immer funktioniert hat, war die Reduktion mit Al/Hg. Macht aber viel Dreck und ist relativ giftig. Deswegen will ich lieber eine Alternative finden.
Habe aber mal gehört, dass man statt mit Aluminium und Quecksilber, das Amalgam auch mit Aluminium und Gallium herstellen kann. Aber es gibt kaum Literatur dazu, also heißt es ausprobieren :)
Allgemein ist mir über die Reduktionseigenschaften von Aluminiumamalgam nicht wirklich viel bekannt. Ich weiß, dass sie Nitrogruppen zu Aminogruppen reduziert. (Gilt das für alle, oder gibt es Ausnahmen?)
Desweiteren werden auch Doppelbindungen reduziert. Oxime, Ketone, Alkene usw.  Aber da gibt es wohl auch wieder Ausnahmen nehme ich an.
Denn sonst würde es ja ganz einfach und günstig das LAH ersetzen können, wenn es gleichzeitig Nitro und Doppelbindungen reduziert. In der praktischen Anwendung scheint es aber so, dass immer erst die Doppelbindung mit NaBH4 reduziert wird und erst im Anschluss die Nitrogruppe mit Al/Hg. Wieso dann nicht den Schritt mit NaBH4 sparen?

Die Reaktion mit Zinn und HCl kenne ich so ähnlich, mit Zinn(II)Chlorid und HCl. Ist aber vermutlich das Gleiche nehme ich an, nur dass das SnCl2 erst erst durch Zinn und HCl entstehen muss, oder?
Eine andere Sache, die ich mal probiert hatte, war die Reduktion mit Zink und Ameisensäure bzw. Ammonium- oder Kaliumformiat. Funktionieren tut es zumindest, aber die Ausbeuten liegen meist nur so bei 40%.

Pd/C und Hydrazin klingt auch sehr interessant. Glaube ich werde mir mal doch ein paar Gramm Pd/C kaufen. Das erscheint wiederum für mich nicht ganz billig. :D
Muss man bei der Hydrierung mit Pd/C eigentlich immer so einen H2 Ballon über dem Kolben haben, damit das ganze bei H2 Atmosphäre abläuft?
Die Zn/NH4COOH Reduktion gibt es auch in einer Variante, mit Pd/C statt Zn. Da wird das H+ eigentlich vom Ammoniumformiat übertragen. Man bräuchte also keine H2 Atmosphäre oder?

Mit dem Klassiker H2 und Druck meinst du jetzt aber Pd/C und H2 Atmosphäre unter Druck oder? Alles andere Wäre mir neu.
Ist aber auch nicht so einfach zu realisieren glaube ich, wenn man nicht gerade einen Hydrierapparat oder sowas hat. Kosten schon ein paar Tausend Euro diese Teile.

synthon

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Re: Palladium auf Aktivkohle - Fragen
« Antwort #11 am: 01. Dezember 2015, 17:54:12 »
Die Firma Berghof macht coole Autoklaven: https://www.youtube.com/watch?v=oH4l8kPZnUQ
Hab ich schon mit gearbeitet, das ist halt schon sehr bequem... Reaktionsgemisch rein, Kat rein, Wasserstoff aufgeben und am nächsten Tag dann aufarbeiten. Aber tatsächlich, solche Geräte sind teuer.

Mit Al/Hg habe ich auch noch nicht gearbeitet. Giftiger Mist.

Man kann mit einem H2-Ballon auf einer Apparatur hydrieren/reduzieren. Hat ein Kollege mal gemacht.
Zum Ammoniumformiat gibts auch bei lambdasyn eine Vorschrift, meine ich.

Heuteufel

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Re: Palladium auf Aktivkohle - Fragen
« Antwort #12 am: 03. Dezember 2015, 01:21:40 »
Zitat
Was bisher immer funktioniert hat, war die Reduktion mit Al/Hg. Macht aber viel Dreck und ist relativ giftig. Deswegen will ich lieber eine Alternative finden.
Habe aber mal gehört, dass man statt mit Aluminium und Quecksilber, das Amalgam auch mit Aluminium und Gallium herstellen kann. Aber es gibt kaum Literatur dazu, also heißt es ausprobieren Smilie
Reden wir hier noch immer von Nitroaren zu Anilin-Derivat?!
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