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Autor Thema: Einsatzhärten mit Kaliumhexacyanidoferrat(II)?  (Gelesen 8685 mal)

sunny

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Einsatzhärten mit Kaliumhexacyanidoferrat(II)?
« am: 08. November 2013, 12:40:32 »
Servus,

Da ich mich hobbymäßig auch mit Metallbearbeitung beschäftige, hab ich mal etwas über die Möglichkeiten des einsatzhärtens recharchiert.
Bei Wikipedia fand ich dann folgenden Abschnitt.
Zitat
Kaliumhexacyanidoferrat wird ebenfalls zum Einsatzhärten von ansonsten schlecht härtbaren Stählen verwendet. Kaliumhexacyanidoferrat wird bei Kontakt mit dem rotglühenden Werkstück flüssig und gibt seinen Kohlenstoff an das Werkstück ab. Die Oberfläche wird dadurch aufgekohlt und härtbar.
Entsteht dabei nicht das giftige Kaliumcyanid?

Phil

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Re: Einsatzhärten mit Kaliumhexacyanidoferrat(II)?
« Antwort #1 am: 09. November 2013, 07:16:34 »
Nein da der Kohlenstoff entzogen wird und in das Metall geht.
Es wird auch mit Ammoniak oder Stickstoff gehärtet.
Nicht die Gewalt einiger weniger ist gefährlich, sondern das Schweigen der Masse.
Wer suchet der findet. Wer drauftritt, verschwindet. Alte Mienenregel.
Heute ist nicht alle Tage ich komm wieder keine Frage.
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Mephisto

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Re: Einsatzhärten mit Kaliumhexacyanidoferrat(II)?
« Antwort #2 am: 09. November 2013, 18:44:40 »
Servus!

Ein interessantes Hobby hast Du da. Welche Werkstücke bearbeitest Du? Vielleicht kannst Du uns noch etwas darüber erzählen.

Bei der thermischen Zersetzung von Kaliumhexacyanoferrat(II) können je nach Temperatur toxische Produkte gebildet werden. So kann ab 400 °C neben Kaliumcyanid das giftige und gasförmige Dicyan entstehen:

4 K4Fe(CN)6 + 3 O2  [--heat-->] 2 Fe2O3 + 16 KCN + 4 (CN)2

Ich empfehle Dir folgenden wissenschaftlichen Artikel:
J. I. Kunrath; C. S. Müller; E. Frank, "Thermal decomposition of potassium hexacyanoferrate(II) trihydrate", Journal of Thermal Analysis and Calorimetry, 1978, vol 14, issue 3, 253-264
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sunny

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Re: Einsatzhärten mit Kaliumhexacyanidoferrat(II)?
« Antwort #3 am: 10. November 2013, 12:04:29 »
Moin,

danke für eure Antworten und und Mephisto für den aufschlußreichen Artikel. KHCF scheidet somit in mehrererlei Hinsicht aus. Es bildet sich demnach nicht nur ein KCN haltiger Belag auf dem Wekstück sondern auch gasförmiges Dizyan.
Wer also, ohne groß zu überlegen, dem Wiki-Artikel folgt, könnte durchaus ernsthafte Probleme bekommen. [denk]
Ich fertige hauptsächlich Messer, kleine Schmuckstücke, Gürtelschnallen und so Zeug. Nix besonderes. Das Einsatzhärten mit KHCF währe dahingehend interessant gewesen, dass man es nur auf eine Seite eines Messers auftragen könnte. So könnte man eine Seite der Klinge mit einer dünnen Hartschicht versehen. Beim schneiden würde sich dann vorzugsweise die andere ungehärtete Seite abnutzen. An der Schneide würde stets ein dünner zackiger Grat der Hartschicht stehen bleiben. Das Messer hätte somit einen Selbstschärf Effekt ähnlich einem Bieberzahn. Soweit zumindest die Idee.
Einsatzhärten mit Gasen wie Ammoniak ist mit Hobbymitteln nur schwer zu realisieren. Zumindest bedeutend schwerer als einfach einen pulverförmigen Feststoff auf das Werkstück zu streuen.

Mephisto

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Re: Einsatzhärten mit Kaliumhexacyanidoferrat(II)?
« Antwort #4 am: 10. November 2013, 17:51:59 »
Für die Durchführung in geschlossenen Räumen halte ich das Verfahren für zu gefährlich. Im Freien würde ich es anwenden, aber das ist nur meine persönliche Meinung.

Es bildet sich demnach nicht nur ein KCN haltiger Belag auf dem Wekstück sondern auch gasförmiges Dizyan.

Soweit ich es verstanden habe, basiert die Härtung doch gerade auf der thermischen Zersetzung des KCN zu Kohlenstoff. Wenn Du die Werkstücke zum Glühen erhitzt sollte es keine KCN-Rückstände geben.

2 KCN + O2 → 2 KOCN
2 KOCN + O2 → K2CO3 +CO + N2
2 CO → CO2 + C

Falls Du Dir weiterhin Sorgen wegen KCN-Rückständen machst: KCN lässt sich auch chemisch unschädlich machen (Oxidation mit Wasserstoffperoxid oder Komplexibildung mit Fe2+).

In der englischen Fassung des Wikipedia-Artikels steht noch etwas über einen weniger gefährlichen Nachfolger namens „Cherry Red“. Ich habe nicht weiter recherchiert, um was es sich dabei handelt, aber das wäre für Dich eine mögliche Alternative.
Small items may be case hardened by repeated heating with a torch and quenching in a carbon rich medium, such as the commercial products Kasenit / Casenite or "Cherry Red". Older formulations of these compounds contain potentially toxic cyanide compounds, such as ferrocyanide compounds, while the more recent types such as Cherry Red do not.

Deine Idee mit dem Messer hört sich sehr gut an! Wenn Du es versuchst, könntest Du vielleicht ein paar Fotos machen.
« Letzte Änderung: 10. November 2013, 17:55:49 von Mephisto »
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Re: Einsatzhärten mit Kaliumhexacyanidoferrat(II)?
« Antwort #5 am: 10. November 2013, 20:22:56 »
Also mir ist das Risiko dabei zu groß. Die lethale Dosis ist mir zu gering für Experimente. Auch wegen der Reste die evtl. auf dem Koks in der Schmiede verbleiben.
Beim Härten kommt es vor allem auf die bildung der Karbide im Eisen an. Temperaturmäßig arbeitet man hier bei Temperature zwischen 700 - 800°C. Also vorzugsweise im Bereich vor der 2. Oxidationsphase in dem Artikel. Ich denke auch dass der Härt-Effekt auf der Bildung des Fe3C beruht welches sich in der oberen Schicht des Werkstücks einlagert. Oxidation wäre hier kontraproduktiv.
Ich werd mich mal nach weiteren Möglichkeiten umschauen. Wenn sich was was ergibt was sich praktisch anwenden lässt, kann ich gerne was dazu schreiben.
Wenn ich mich nicht mehr melde, hab ich nichts gefunden oder doch die KHCF-Geschichte ausprobiert  ;-D
 

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Re: Einsatzhärten mit Kaliumhexacyanidoferrat(II)?
« Antwort #6 am: 14. Dezember 2013, 08:55:25 »
Nach den Gleichungen könnte man doch auch gleich KOCN nehmen und das KCN würde erst garnicht gebildet, oder übersehe ich da jetzt was?

/Schnuck

Phil

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Re: Einsatzhärten mit Kaliumhexacyanidoferrat(II)?
« Antwort #7 am: 14. Dezember 2013, 10:50:16 »
Ich kenne mich mit Härten nicht aus, es könnte aber sein dass das Redoxverhalten eine Rolle spielt, und darum nicht geeignet ist.
Vermutlich ist KCN auch reduzierend und KOCN eher nicht. Es ist aber nur eine Vermutung.
Wenn ich mal in einer Härterei bin werde ich mal fragen.
Als grobe Info kann auch diese Seite dienen http://www.blessing.ch/de/home
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Re: Einsatzhärten mit Kaliumhexacyanidoferrat(II)?
« Antwort #8 am: 15. Dezember 2013, 09:26:55 »
Ich hatte herausgefunden dass:
Heutzutage zu 95% andere Härte und Nitrierverfgahren als die 
Salzbadverfahren angewendet. Da die Sazbadverfahren die qualitativ sehr 
gute Nitrierungen und Härtungen macht, kommt es vor dass diese Verfahren 
noch eingesetzt werden. Diese sind mittlerweile teure Verfahren da eine 
100% Reinigung und Entsalzung des Wassers durch hausinterne Kläranlagen 
gemacht wird.
Die Modernen Härte und Nitriersalze haben statt Kaliumzyanide, Kalium- 
und Natriumcyanate selten Natriumcyanid.
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