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Autor Thema: Extraktion von Cytisin aus Goldregensamen  (Gelesen 9724 mal)

Heuteufel

  • Francium
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Extraktion von Cytisin aus Goldregensamen
« am: 04. April 2012, 00:59:15 »
Extraktion von Cytisin aus Goldregensamen

Cytisin [485-35-8]       C11H14N2O




* Keilstrichformel Cytisin (3).jpg (49.19 KB . 775x596 - angeschaut 1433 Mal)


Prinzip:

Die grob gepulverten Samen des Gemeiner Goldregen (Laburnum anagyroides syn. Cytisus laburnum) werden mit essigsaurem, wässrigen Alkohol ausgelaugt. Nach dem Abdestillieren des Alkohols werden Fettsubstanzen abfiltriert und Farbstoffe mit Blei(II)-acetat gefällt. Die Lösung wird alkalisch gemacht, das Cytisin mit Chloroform extrahiert und durch Umkristallisieren gereinigt. Hierbei wird der Umstand ausgenutzt, dass kochendes Ligroin die Base unter Zurücklassung der Farbstoffe löst und beim Erkalten nahezu quantitativ wieder abscheidet.

Beschreibung:

Cytisin ist ein (unter anderem) im Gemeinen Goldregen vorkommendes Chinolizidin-Alkaloid. Die Substanz wirkt, ähnlich wie Nikotin, auf die nicotinischen Acetylcholinrezeptoren und führt somit zuerst zu einer Erregung des zentralen Nervensystems; bei höheren Dosen zur Lähmung desselben, wobei bei Cytisin, anders als bei Nikotin die erregende Wirkung die lähmende überwiegt. Cytisin ist stark giftig. Die Einnahme führt zu Brennen im Mund, Übelkeit, blutigem Erbrechen, Schweißausbrüchen und Schwindel; bei höheren Dosen zu strychninartigen Krämpfen und Halluzinationen. Der Tod tritt infolge einer zentralen Atemlähmung ein. Tödliche Vergiftungen sind jedoch relativ selten, da die Substanz starken Brechreiz hervorruft, was meist die Resorption einer tödlichen Dosis verhindert. Getrocknete Blätter des Goldregens wurden teilweise als Tabakersatz verwendet. Cytisinhaltige Präparate waren in die früheren Ostblockstaaten als Medikament zur Raucherentwöhnung stark verbreitet. Auch heute wird Cytisin unter dem Markennahmen Tabex® (http://www.tabex.net/) in einigen Ländern (z.B. Bulgarien) vertrieben.

Cytisin bildet wasserklare Kristalle mit einem Schmelzpunkt von 154-156 °C. Die Substanz ist sublimierbar, sehr leicht löslich in Wasser, Alkohol, Benzol, Chloroform; ziemlich leicht in Ether, Amylalkohol und Aceton; unlöslich hingegen in Schwefelkohlenstoff, kaltem Ligroin und Tetrachlorkohlenstoff. Cytisin ist optisch aktiv, und zwar zeigt eine 1,99 %-tige Lösung bei 17° die Drehung [α]D = - 119°57'. Eine 1,985 %-tige Lösung des Nitrats zeigt bei 17° [α]D = - 82°37'.

Synonyme: Baphitoxin, Sophorin, Baptitoxin; Citizin; Cytiton; Cytitone; Cytizin; Laburnin; Sophorin; Sophorine; Tabax; Tabex; Tsitizin; Ulexin; Ulexine; 1,2,3,4,5,6-Hexahydro-1,5-methano-8H-pyrido(1,2-a)(1,5)diazocin-8-one; (1R,5S)-1,2,3,4,5,6-Hexahydro-1,5-Methano-8H-pyrido(1,2-a)(1,5)diazocin-8-one

Durchführung:

54 g gröblich gepulverte Samen des Gemeinen Goldregens werden mit 300 ml 60 %-tigem Alkohol, welcher mit 30 ml Eisessig angesäuert ist, für etwa 12 Stunden gekocht. Nach Abfiltrieren der ausgelaugten Samen wird der Alkohol aus dem Filtrat abdestilliert und die wässrige Lösung zum Entfernen der ausgefallenen Fettsubstanzen durch einen Faltenfilter filtriert. Das Filtrat wird zur Entfernung des größten Teils der Farbstoffe mit Bleiacetat-Lösung versetzt, bis kein Niederschlag mehr ausfällt. Nach Abfiltrieren des Niederschlags werden überschüssige Pb2+-Ionen durch Einleiten von Schwefelwasserstoff gefällt. Um zu überprüfen, ob die Fällung vollständig ist, wird eine kleine Probe der Lösung entnommen und in ein Reagenzglas filtriert. Beim Versetzen mit einer Lösung von Schwefelwasserstoff in Wasser darf keine Fällung mehr auftreten. Nach der Fällung mit Schwefelwasserstoff wird die Lösung kurz aufgekocht, um überschüssiges H2S auszutreiben. Nachdem das schwarze Bleisulfid abfiltriert wurde, wird die Lösung alkalisch eingestellt, und mehrmals mit Chloroform ausgeschüttelt. Hierbei kommt es häufig zu Bildung störender Emulsionen, die sich jedoch bei längerem Stehenlassen wieder trennen. Die Chloroform-Phasen werden vereinigt und über Nacht mit wasserfreiem Natriumsulfat getrocknet. Es wird vom Trockenmittel abfiltriert und anschließend wird das Chloroform auf dem Wasserbad abdestilliert. Der Rückstand wird mit etwa der dreifachen Menge an Petrolether versetzt, worauf er milchig wird und sich das rohe Cytisin in Form gelb-brauner Kristalle abscheidet. Es wird so viel Petrolether zum Rückstand gegeben, bis eine weitere Zugabe keine milchige Trübung mehr hervorruft. Der Petrolether wird dann abdekantiert und der Rückstand für etwa 2 Stunden mit Ligroin (Sdp. :90-110 °C) unter Rückfluss gekocht. Die noch kochend heiße Lösung wird dann rasch über einen vorgewärmten Trichter (mit Faltenfilter) in ein warmes Gefäß filtriert. Beim Abkühlen kristallisiert das Cytisin sehr rasch in Form wasserklarer Nadeln, die im Licht funkeln. Die Ausbeute an reinem Cytisin beträgt 0,3 g.

Die Samen des Cytisus laburnum in ihren getrockneten Schoten:

* Cysticin 1.JPG (212.95 KB . 1024x683 - angeschaut 1561 Mal)

Die Samen im Mörser (54 g). Leider erwiesen sich die Samen als außerordentlich hart und ließen sich nicht im Mörser zerkleinern. Es gelang schlussendlich die Samen mit einem Hammer zu zerkleinern, wobei heftige Schläge notwendig waren. Die Samen wurden während des Zerkleinerns in mehrere Lagen Frischhaltefolie und Alufolie eingewickelt um ein Herumspringen zu verhindern.

* Cysticin 2.JPG (123.18 KB . 1024x683 - angeschaut 1387 Mal)

Die mit wässrigem Alkohol ausgelaugten Samen.

* Cysticin 3.JPG (69.08 KB . 1024x683 - angeschaut 1340 Mal)

Lösung nach Abfiltrieren der Samen.

* Cysticin 4.JPG (45.42 KB . 1024x683 - angeschaut 1354 Mal)

Beim Abdestillieren des Alkohols fallen Fettsubstanzen aus.

* Cysticin 5.JPG (52.81 KB . 1024x683 - angeschaut 1393 Mal)

Diese werden abfiltriert.

* Cysticin 6.JPG (69.8 KB . 1024x681 - angeschaut 1355 Mal)

Fällung von Farbstoffen mit Blei(II)-acetat. Bei den ersten paar Millilitern Bleiacetat-Lösung fällt noch kein Niederschlag aus. Erst bei einem ziemlich großen Überschuss an Pb2+ ist die Fällung vollständig.

* Cysticin 7.JPG (61.04 KB . 1024x683 - angeschaut 1350 Mal)

Überschüssige Pb2+ Ionen wurden mit einer (zuvor hergestellten) gesättigten Lösung von Schwefelwasserstoff in Wasser gefällt (das hatte organisatorische Gründe, und außerdem lässt sich die Lösung besser dosieren). Eine Probe des Filtrats zeigte mit H2S keinen Niederschlag mehr.

* Cysticin 8.JPG (67.53 KB . 1024x683 - angeschaut 1357 Mal)

Lösung nach Abfiltrieren des Blei(II)-sulfids:

* Cysticin 9.JPG (56.2 KB . 1024x683 - angeschaut 1252 Mal)

Die wässrige Lösung wird alkalisch eingestellt:

* Cysticin 10.JPG (49.5 KB . 1024x656 - angeschaut 1352 Mal)

Unreines Cytisin kristallisiert bei der Zugabe von Petrolether aus.

* Cytisin 11.JPG (84.21 KB . 1024x683 - angeschaut 1337 Mal)

Beim Erkalten kristallisiert das Cytisin in wunderschönen, durchsichtigen, im Sonnenlicht funkelnden Nadeln aus.

* Cytisin 12.JPG (98.27 KB . 1024x683 - angeschaut 1338 Mal)

Die reine Substanz nach kurzer Trocknung im Vakuum.

* Cytisin 13.JPG (122.29 KB . 1024x681 - angeschaut 1431 Mal)

Die Ausbeute an unreinem Cytisin betrug 0,4 g
Durch Umkristallisieren wurden 0,3 g reines Cytisin erhalten.

Der Schmelzpunkt wurde nach Thiele bestimmt.

* Cytisin 14.JPG (43.55 KB . 1024x683 - angeschaut 1390 Mal)

Die gepulverten Kristalle gingen bei 153-154 °C (Wert nach Fadenkorrektur) in eine wasserklare Schmelze über. Dies entspricht dem Literaturwert.

Quellen:

Extraktionsvorschrift: Selbst erarbeitet basierend auf: Prof. Dr. Emil Abderhalden (Hg.): Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden; zweiter Band; Berlin: Urban & Schwarzenberg, 1910

Informationen zur Substanz: Thorsten Urhahn: Cytisin; Seminararbeit; Universität Ulm, 1991 – oben genannte Quelle

Anmerkungen:

Die Synthesevorschrift ist (wie unter „Quellen“ angegeben) weitgehend selbst erarbeitet. Die Mengenangaben sind die vom Experimentator verwendeten, und die Ausbeute ist die Menge an reiner Substanz, die der Experimentator gewinnen konnte.

Cytisin hat eine sehr schöne Strukturformel (http://de.wikipedia.org/wiki/Cytisin). Meine ChemDraw-Kenntnisse reichen leider nicht aus, um diese vernünftig in 3 D wiederzugeben. Sollte die Extraktionsvorschrift in die Synthesesammlung aufgenommen werden, wäre es erfreulich, wenn sich jemand erbarmen würde, und eine schöne Graphik erstellen würde.

Die Informationen unter Beschreibung sind aus einer ziemlich großen Anzahl an Quellen zusammengewürfelt. Bei einer Aufnahme in die Synthesesammlung würde ich diesen Teil nochmals überarbeiten und eine Quellenangabe machen, die mit einer wissenschaftlichen Vorgehensweise vereinbar ist. ;-)

EDIT:
Strukturformel und Synonyme hinzugefügt. Meinen Dank an Caesiumhydroxid für die wunderschöne Keilstrichformel und an Phil für die Liste mit den Synonymen!



Diese Extraktionsanleitung wurde unter der URL www.lambdasyn.org/synfiles/cytisin.html zur Synthesensammlung aufgenommen.

« Letzte Änderung: 15. August 2013, 21:30:19 von Mephisto »
"The higher impact projects tend not to be harder than lower impact projects. Just higher impact." - A commentator on the blog "In the pipeline"


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