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Autor Thema: Synthese von Phenytoin  (Gelesen 15225 mal)

Heuteufel

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Synthese von Phenytoin
« am: 02. August 2011, 14:21:31 »
Synthese von Phenytoin

Phenytoin (5,5-Diphenyl imidazolidin-2,4-dion ) [57-41-0]

In der nachfolgenden Synthese wird Phenytoin, ein Hydantoin-Derivat, das unter anderem als Antikonvulsivum eingesetzt wird, aus Benzil und Harnstoff hergestellt.

Zur Reaktion:

Die nachfolgenden Erklärungen stammen aus dem Artikel „Die Phenytoin-Synthese des H.Biltz“ von Gerhard Schwenker, Agan S. Dajoh und Sonja Bernhart, welcher in der Fachzeitschrift „Pharmazie in unserer Zeit“ (15. Jahrg. 1986 / Nr. 6) veröffentlicht wurde.

Der Reaktionsmechanismus der Phenytoin-Synthese wird in den meisten Lehrbüchern mehr oder weniger detailliert, jedoch häufig falsch dargestellt.


* Phenytoin Reaktionsmechanismus.gif (20.72 KB . 1201x1320 - angeschaut 3636 Mal)
Schon der Entdecker der Reaktion, Heinrich Biltz, hatte erkannt, dass der erste Schritt des Reaktionsmechanismus keine Benzilsäure-Umlagerung (siehe Reaktionsmechanismus) sein kann, denn Benzilsäure regiert unter den gegebenen Bedingungen nicht mit Harnstoff. Weiterhin hatte Biltz richtig vermutet, dass die Reaktion über das cyclische Addukt (1) als Zwischenstufe verläuft. Grund für diese Annahme war die Tatsache, dass Biltz durch den Einsatz von N,N′-Dimethylharnstoff das Dimethylderivat von (1) als stabiles Addukt isolieren konnte. Das von Biltz postulierte Addukt (1) konnte mittlerweile von den Autoren des angegebenen Artikels in quantitativer Ausbeute isoliert und charakterisiert werden. In der Tat kristallisiert das Addukt nach wenigen Minuten aus dem Reaktionsgemisch aus, geht jedoch beim Erwärmen rasch wieder in Lösung. Die Hypothese, dass die Reaktion über (1) verläuft wird des Weiteren dadurch gekräftigt, dass auf unabhängigem Weg dargestelltes Addukt (1) sich beim Kochen in ethanolischer Kalilauge in Phenytoin umwandelt.
 
Über den Reaktionsmechanismus, nach dem sich das Addukt (1) bildet, sind in dem als Quelle angegebenen Artikel keine detaillierten Informationen enthalten. Es ist jedoch anzunehmen, dass der erste Schritt der Reaktion der Angriff eines Harnstoff-Anions am Benzil ist.

Nun nahm Biltz jedoch fälschlicherweise an, das Addukt (1) würde in einer Pinakol-Umlagerung (siehe Reaktionsmechanismus) in Phenytoin übergehen. In der Tat ist eine Pinakol-Umlagerung jedoch unter basischen Bedingungen sehr unwahrscheinlich, während eine Benzilsäure-Umlagerung gerade unter diesen Bedingungen stattfindet.

Die Herausforderung besteht also darin einen der Benzilsäure-Umlagerung ähnlichen Mechanismus zu formulieren, der über das Addukt (1) (und nicht über Benzilsäure) verläuft.
Nach untauglichen Versuchen der Erklärung von Sikdar und Ghosh, welche fälschlicherweise eine Umlagerung an dem ringoffenen Addukt postulierten, sowie später von Dunnavant und James, gelang es Butler und Leitch schließlich einen plausiblen Reaktionsmechanismus der Umlagerung zu formulieren, der mit den experimentellen Erkenntnissen in  Einklang stand. Butler und Leitch nahmen an, dass aus dem Addukt (1) durch Dehydratisierung das Hydroxyimidazolinon (2) entsteht, aus dem sich durch Deprotonierung als eigentliche umlagerungsfähige Zwischenstufe das Anion (3) bildet, welches nach Benzilsäure-Umlagerung und Protonierung (beim Ansäuern des Reaktionsgemisches) Phenytoin (4) ergibt. Die dabei stattfindende Umlagerung, welche der Benzilsäure-Umlagerung stark gleicht, wird als Hydantoin-Umlagerung bezeichnet.

Das Hydroxyimidazolinon (2), sowie sein Anion (3) konnten bisher noch nicht nachgewiesen werden. Trotzdem gibt es starke Hinweise, dass der von Butler und Leitch formulierte Reaktionsmechanismus richtig ist: Während die Reaktion von Benzil mit Harnstoff nur unter Erwärmen abläuft, findet bei der Verwendung von Methylharnstoff die Reaktion schon bei Raumtemperatur statt. Dies ist dadurch zu begründen, dass die Methyl-Derivate des Addukts (1) wesentlich leichter dehydratisiert werden als (1) selbst. Man kann also schlussfolgern, dass die Hydantoin-Umlagerung umso leichter erfolgt, je leichter das Addukt (1) respektiv seine Derivate zum Hydroxyimidazolinon dehydratisiert werden können, was also darauf hindeutet, dass die Reaktion tatsächlich so verläuft, wie Butler und Leitch es postuliert haben.

Bei der Biltz Synthese von Phenytoin bilden sich unvermeidlich Nebenprodukte, die als Acetylendiureine oder Glykolurile bezeichnet werden. Es handelt sich hierbei um 1,2-Diphenyl-3,5,6,8-tetrazabicyclo[3.3.0]-octan-4,7-dione (siehe (5)), welche dadurch entstehen, dass (2) mit einem weiteren Molekül Harnstoff (respektiv einem Harnstoff-Anion) reagiert. Hierbei sind zwei alternative Reaktionsverläufe denkbar (siehe Reaktionsmechanismus), welche jedoch alle beide zum selben Nebenprodukt führen. Diese Glykolurile sind schwer löslich und können deshalb leicht abfiltriert werden.

Synthesevorschrift:

In einem 100 ml Rundkolben werden 2 g Benzil, 30 ml 95 % Ethanol, 6 ml 30 % Natronlauge und 1 g Harnstoff vorgelegt. Diese Mischung wird für 1,5 Stunden unter leichtem Rückfluss gekocht. Nachdem das Reaktionsgemisch abgekühlt ist werden 40 ml Wasser hinzugegeben und die Lösung wird filtriert um unlösliche Verunreinigungen (vor allem Glykolurile) zu entfernen. Dann wird die klare, rot-braune Lösung mit konzentrierter wässriger Salzsäure sauer eingestellt, wobei das rohe Phenytoin als weißer Niederschlag ausfällt. Durch Umkristallisation aus 95 % Ethanol erhält man das reine Produkt.

Durchführung der Synthese:
(die Mengenangaben wurden halbiert)

Das hellgelbe Reaktionsgemisch am Anfang:

* Phenytoin 1.JPG (95.3 KB . 1024x683 - angeschaut 1791 Mal)
Nach 1,5 Stunden hat der Kolbeninhalt eine dunkle, schmutzig-braune Farbe angenommen:

* Phenytoin 2.JPG (94.63 KB . 1024x683 - angeschaut 1791 Mal)
Beim Ansäuern fällt das Phenytoin aus. Die weißen Nebel sind darauf zurückzuführen, dass sich in einer Nebenreaktion Ammoniak gebildet hat, welches nun mit den Salzsäuredämpfen reagiert.

* Phenytoin 3.jpg (71.09 KB . 1024x683 - angeschaut 1768 Mal)
Das reine, umkristallisierte Phenytoin.

* Phenytoin 4.JPG (406.78 KB . 2048x1362 - angeschaut 1934 Mal)
Eigenschaften und Verwendung:

Phenytoin bildet weiße Kristalle, die bei 286 °C schmelzen und in Wasser nur schwer löslich sind (32 mg/l), leicht jedoch in Ethanol. Die Substanz schmeckt bitter und ist mit einem pKs-Wert von 8,3 - 8,1 eine schwache Säure.

Der deutsche Chemiker Heinrich Biltz hatte sich in den Jahren 1907 bis 1910 unter anderem mit Imidazolin-2-onen beschäftigt und dabei zufällig eine ergiebige Synthese von 5,5-Diphenyl imidazolidin-2,4-dion (Phenytoin) entdeckt. Erst später (1938) fanden Meritt und Putnam heraus, dass Phenytoin ein sehr effektives Medikament zur Behandlung von Epilepsie ist, und anders als das vorher eingesetzte Phenobarbital keinen unerwünschten sedierenden Effekt hat. Darüber hinaus können mit Phenytoin auch erfolgreich Herzrhythmusstörungen behandelt werden.

Die Wirkungsweise von Phenytoin beruht auf einer selektiven Blockierung der spannungsgesteuerten Natriumkanäle, wobei das Molekül sich bevorzugt an die nicht spannungsaktivierten Kanäle bindet (und sich kurz danach wieder löst). Diese Eigenschaft ermöglicht es Phenytoin die Entstehung und Verbreitung von anormal hochfrequenten neuronalen Impulsen, welche sowohl für epileptische Anfälle, wie auch für Tachykardien charakteristisch sind, zu unterbinden; ohne jedoch neuronale Impulse mit einer normalen Frequenz zu beeinflussen.

Trotz möglicher starker Nebenwirkungen (Nystagmus, Ataxie, Kopfschmerz, Schwindel, Beeinträchtigung der intellektuellen Leistungsfähigkeit,…) und ungünstiger Pharmakokinetik wird Phenytoin noch immer relativ häufig eingesetzt.

Handelsnamen: Phenytek, Dilantin, Eptoin, Epanutin.

Bemerkungen:

Wie schon unter „Zur Reaktion“ beschrieben, kristallisiert das Addukt (1) nach wenigen Minuten aus dem Reaktionsgemisch aus, und geht jedoch beim Erwärmen rasch wieder in Lösung. Wenn man bei der Durchführung der Synthese zuerst den Harnstoff und das Benzil im Ethanol löst, und dann die Natronlauge hinzugibt, kann man das Ausfallen des Adduktes schön beobachten. Umso erstaunlicher ist es, dass diese auffällige experimentelle Beobachtung sehr lange Zeit übersehen worden ist.

Quelle:

Synthesevorschrift:


http://courses.chem.psu.edu/chem36/Chem36H/IndivExpt1/875%20Dilantin.pdf

Reaktionsmechanismus und Bemerkungen:

* „Die Phenytoin-Synthese des H.Biltz“ von Gerhard Schwenker, Agan S. Dajoh und Sonja Bernhart; erschienen in „Pharmazie in unserer Zeit / 15. Jahrg. 1986 / Nr. 6“

Eigenschaften und Verwendung:


* Instant pharmacology, von Kourosh Saeb-Parsy, Ravi G. Assomull, Fakhar Z. Khan, Kasra Saeb-Parsy, Eamonn Kelly
* Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis. Folgebd. 1. Waren und Dienste, von Hubert Schneemann und Gisela Wurm
* Wikipedia (Handelsnamen)



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« Letzte Änderung: 07. Januar 2012, 21:14:34 von Mephisto »
"The higher impact projects tend not to be harder than lower impact projects. Just higher impact." - A commentator on the blog "In the pipeline"


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