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Autor Thema: Mauvein Synthese nach Perkin (?)  (Gelesen 11134 mal)

Graf_Zeppelin

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Mauvein Synthese nach Perkin (?)
« am: 29. August 2010, 20:34:33 »
Hallo liebe Gemeinde,

letztens bin ich in einem Buch (Lila von Simon Garfield) auf die Synthese von dem Farbstoff Mauvein (evtl. nach Perkin ?) gestoßen, welche mit „Ein modernes Verfahren” untertitelt ist.
Ich wollte diesen Farbstoff jetzt auch brauen, allerdings wird im Laufe der Handlung erwähnt, dass es gesundheitliche Bedenken bei Farbstoffen gab, die zur Textilfärbung genutzt wurden. Unter anderem wurden früher anscheinend Textilien mit Pikrinsäure gelb gefärbt oder eben Farbstoffe auf Anilinbasis genutzt, war natürlich die Bedenken erklärt. (
Wenn ich nun selber das Mauvein herstelle und damit Textilien färbe, wäre das gesundheitsschädlich ?
Um die Bedenken an der Synthese darzulegen, habe ich sie aufgeschrieben :

3,3 mL Wasser
52 µL Anilin
60 µL o-Touluidin
122 mg p-Touluidin
600 µL 2N Schwefelsäure

Das ganze Zeug wird dann umgerührt, bis es sich löst. Jetzt wird es brisant, man soll 30 mg Kaliumdichromat in 160 µL Wasser hinzufügen.
Dann eben das üblich Filtern und Trocknen. Die Ausbeute liegt bei 2mg Mauvein.

Falls sich meine Bedenken wegen des Chromats und der Aniline nicht bewahrheiten, stelle ich die Synthese gerne zur Diskussion.


Viele Grüße,
Fabian

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Re: Mauvein Synthese nach Perkin (?)
« Antwort #1 am: 09. September 2010, 14:08:51 »
Auf Wikipedia steht, dass der Autor des Artikels keine verlässlichen Informationen zu gesundheitlichen Gefahren gefunden hat. Da der Farbstoff aus der Mode geraten ist, existieren solche Daten vielleicht tatsächlich nicht. Ich würde deshalb lieber keine mit Mauvein gefärbten Stoffe auf der Haut tragen (vom Farbton mal abgesehen ;-)).
Mein PGP-Schlüssel; Fingerprint: 7FAF A6DF 2554 B333 E87A 88A9 259F E617 B7F7 ED6E

alphysist

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Re: Mauvein Synthese nach Perkin (?)
« Antwort #2 am: 05. Mai 2013, 15:40:21 »
Ich habe genau diese Synthese ("A Microscale Synthesis of Mauve" Rhonda L. Scaccia, David Coughlin, and David W. Ball) am Wochenende nachgekocht, allerdings um den Faktor 20 hoch skaliert, trotzdem mit hoher Genauigkeit.

Die Synthese verläuft eigenartig. Mischt man das Rohanilin mit der 2 N-Schwefelsäure, fällt sofort weißes, in Wasser unlösliches (?) Anilinhydrogensulfat aus. Kommt dann der Oxidator (das Dichromat) hinzu, wird sofort alles schwarz. Es hat sich in Wasser unlösliches (?) Anilinschwarz gebildet.  Ich muß das noch aufarbeiten, aber aktuell bin ich skeptisch, denn "Purpur" ist völlig abwesend. Wahrscheinlich fehlt da noch EtOH. Wie es scheint, weiß heute niemand mehr (!) so genau, wie man Mauvein herstellt.

Mauvein ist übrigens sehr stabil (nur konz. HCl knackt das). Wenn es denn entstehen würde...!
« Letzte Änderung: 05. Mai 2013, 16:06:14 von alphysist »

Mephisto

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Re: Mauvein Synthese nach Perkin (?)
« Antwort #3 am: 05. Mai 2013, 22:32:33 »
Das Anilinhydrogensulfat löst sich Wasser. Ich habe nur eine Angabe zum Anilinhemisulfat im Merck Index gefunden. Demnach löst sich 1 g in 15 ml Wasser. Sollte Deine Synthese nicht funktioniert haben, schlage ich vor, dass Du beim nächsten Versuch erst alles in Lösung bringst, bevor Du das Dichromat hinzu gibst. Aber wieso bist Du so skeptisch? Laut Wikipedia ist Mauvein doch ein "fast schwarzer Feststoff". Löst sich Dein Produkt in Ethanol?
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alphysist

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Re: Mauvein Synthese nach Perkin (?)
« Antwort #4 am: 07. Mai 2013, 18:48:41 »
Das Anilinhydrogensulfat löst sich Wasser. Ich habe nur eine Angabe zum Anilinhemisulfat im Merck Index gefunden. Demnach löst sich 1 g in 15 ml Wasser. Sollte Deine Synthese nicht funktioniert haben, schlage ich vor, dass Du beim nächsten Versuch erst alles in Lösung bringst, bevor Du das Dichromat hinzu gibst. Aber wieso bist Du so skeptisch? Laut Wikipedia ist Mauvein doch ein "fast schwarzer Feststoff". Löst sich Dein Produkt in Ethanol?

Das kann ich nicht bestätigen, daß Anilinsulfat wasserlöslich ist. Auch das PDF hier sieht das anders. Und ich werde immer skeptischer. Diese Versuchsbeschreibung entspricht im wesentlichen auch meiner Erfahrung: http://www.chids.de/dachs/praktikumsprotokolle/PP0269herstellung_anilinschwarz_mauvein_gruppe12.pdf
Nur habe ich, wie es in "A Microscale Synthesis of Mauve" Rhonda L. Scaccia, David Coughlin, and David W. Ball beschrieben ist, mit Petrolether gewaschen und ein schwarzes Pulver erhalten.

Dieses Pulver mit Methanol zu extrahieren (25% MeOH in Wasser) lieferte nur ein völlig unbefriedigendes Resultat: eine fast wasserklare, nur gaaanz leicht "pinkfarbene" Lösung. Ich werde das noch eindampfen, aber ich habe bisher nirgendwo in der Literatur eine Methode gefunden, wo eine Beschreibung gegeben wird, die aus nachvollziehbaren Ausgangsstoffen eine prozentuale Ausbeute an Mauvein ergeben würde. Langsam drängt sich mir der Verdacht auf, dass die guten Syntheseanleitungen mit Perkins verloren gegangen sind und alle diese Versuche ein "öh, ist ein bissel so, aber dann wieder doch nicht" ergeben und man sich damit zufrieden gibt!

Lediglich hier [A Study in Mauve: Unveiling Perkin's Dye in Historic Samples (Micaela M. Sousa, Maria J. Melo, A. Jorge Parola, Peter J. T. Morris, Henry S. Rzepa, and J. Sergio Seixas de Melo)
in Chem. Eur. J. 2008, 14, 8507– 8513 Q 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH&Co. KGaA, Weinheim www.chemeurj.org 8513, DOI: 10.1002/chem.200800718] wird mal ein wenig auf die tatsächliche Komplexität des Themas hingewiesen. Es gibt Mauvein A, B, C, Pseudo-Mauvein etc.!! Und für keine dieser Substanzen findet sich irgendwo eine saubere Syntheseanleitung.

Scheinbar entsteht Mauvein mit bei der Herstellung von Anilinschwarz. Okay. Nur "Anilinschwarz" ergibt sich als ekelhafter, teeriger Schlonz, der erst mühevoll gewaschen und getrocknet werden muß. Wo da das Mauvein genau entsteht (bereits mit dem Anilinschwarz? Erst danach wenn Alkohol zugefügt wird? Warum Alkohol und Wasser?) ist nirgendwo angegeben.

Selbst die Vor- oder Nebenstufe, das Anilinschwarz, ist ein komplexes Forschungsthema:

"Die Oxydation von Anilinsalz mit Bichromat,
Persulfat, Chlorai u. a. Mitteln führt, wenn man das
. Oxydationsprodukt durch einen Ueberschuss von Anilin¬
salz schützt, zum reinen dreifach-chinoiden Anilin¬
schwarz, dem historischen Emeraldin.
Durch Nachoxydieren, am besten mit Wasserstoff¬
superoxyd, entsteht vierfach-chinoides Ainilinschwarz,
Oxydationsschwarz, auch Nigranilin genannt,
Durch Ueberoxydieren, z. B. mit Bichromat oder
Persulfat entsteht das sauerstoffhaltige, vierfach-chinoide
Schwarz, ein vollkommen, mattschwarzes,
gegen schweflige Säure beständiges Anilinschwarz."

(aus http://de.wikipedia.org/wiki/Anilinschwarz, Literaturstelle http://e-collection.ethbib.ethz.ch/eserv/eth:21582/eth-21582-01.pdf)
« Letzte Änderung: 07. Mai 2013, 19:13:16 von alphysist »

Mephisto

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Re: Mauvein Synthese nach Perkin (?)
« Antwort #5 am: 07. Mai 2013, 21:01:53 »
Ohne das Vorhandensein von o- und p-Toluidin wird kein Mauvein entstehen (siehe erster Beitrag im Thread). o-, p-Toluidin und Anilin müssen im Verhältnis 1:1:2 vorliegen und alles sollte gelöst sein. Sollte sich trotz eines Überschusses an Wasser keine homogene Lösung einstellen, würde ich persönlich mit Wasser mischbaren Lösungsmitteln wie THF oder DMSO nachhelfen.

Dass der historische Versuch von Perkin mit Anilin überhaupt Mauvein lieferte, lag nur an dem mit o- und p-Toluidin verunreinigtem Anilin.

William Henry Perkin entdeckte es im Alter von nur 18 Jahren[3] bei dem Versuch, Chinin zu synthetisieren, im Jahr 1856. Er stellte diese Substanz aus Anilin her, das mit Kaliumdichromat oxidiert wurde. Das von ihm verwendete Anilin enthielt allerdings erhebliche Mengen an o- und p-Toluidin, so dass das erhaltene Produkt ein Gemisch aus Mauvein und Pseudomauvein war.[1]

Mit heutigem kommerziell erhältlichem Anilin ist das nicht reproduzierbar. Da erhältst Du bei der Zugabe des Dichromats nur Anilinschwarz. Irgendwelche Kondensationsprodukte können da rötlich, pink, braun usw. sein, aber Mauvein wird nicht dabei sein.
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alphysist

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Re: Mauvein Synthese nach Perkin (?)
« Antwort #6 am: 08. Mai 2013, 15:53:48 »
Hallo Mephisto,

die Synthese im Eingangspost ist genau diese Synthese ("A Microscale Synthesis of Mauve" Rhonda L. Scaccia, David Coughlin, and David W. Ball). Und genau die habe ich nachvollzogen. Selbstverständlich kann Mauvein nur entstehen, wenn die Toluidine anwesend sind, ich habe mich da ganz präzise an die Vorschrift gehalten. Es ist übrigens Anilin:o-Toluidin:p-Toluidien wie 1:1:2. Die Toluidine habe ich von Mistral, das Anilin von Omikron. Könnte sein, daß das etwas alt war (10 Jahre). Vielleicht sollte ich es mal frisch destillieren. Die Toluidine waren frisch. Das somit gewonnene "Roh-Anilin" war homogen, also ohne ungelöste Substanzen. Mein erstes Resultat nach der Bichromat-Zugabe war Schwarz mit einem gewissen Grün-Anteil (Emeraldin?).

Danke für den Tip, die Wasserlöslichkeit zu verbessern. Das probiere ich aus!

Graf_Zeppelin

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Re: Mauvein Synthese nach Perkin (?)
« Antwort #7 am: 31. März 2016, 13:33:05 »
Hallo alles zusammen!

Auch wenn das Thema einige Monate schon ruht: Habt ihr die Synthese weitergetrieben? Ich selbst habe das Thema aus den Augen verloren und bin gerade erst auf meinen alten Beitrag gestoßen.
Ich finde es sehr erstaunlich, dass das Wissen über die erste industrielle Synthese eines Farbstoffs anscheinend verloren gegangen ist...